Bad Aibling Ungebremst in die Katastrophe

Bad Aibling Sanft schlängelt sich die Mangfall an den Bahngleisen entlang, die Alpen wirken zum Greifen nah. Die Regionalbahnstrecke, die durch das Flusstal führt, zählt zu den schönsten in Bayern.

Bei dem schweren Unglück sind mindestens neun Menschen gestorben, eine zehnte Person wird noch vermisst.

Foto: Josef Reisner

Doch am frühen Dienstagmorgen wird die Idylle jäh gestört: Zwischen den Bahnhöfen Kolbermoor und Bad Aibling stoßen zwei Meridian-Züge frontal zusammen - wie es dazu kommen konnte, bleibt zunächst ein Rätsel.

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Als die ersten Rettungskräfte an der zwischen dem Mangfallkanal und einem steil aufsteigenden Waldgebiet liegenden Unglücksort eintreffen, stoßen sie auf eine Trümmerwüste. Die zwei Triebwagen liegen ineinander verkeilt auf den Gleisen. Von der ursprünglichen Lackierung in Blau, Gelb und Silber ist an der Zusammenstoßstelle nichts mehr übrig, nur das nackte Metall ist zu sehen. Herausgerissene Türen und andere Trümmer wurden ins Gebüsch geschleudert, in der Böschung liegen verstreute Gepäckstücke.

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Ein Passagier sagt dem Lokalsender Rosenheim24, er habe nach dem Unfall "überall" Menschen um Hilfe rufen hören. Die Zuginsassen hätten sich zunächst selbst befreit, doch schon bald seien die ersten Retter vor Ort gewesen.

Stunden benötigen die Helfer, um sich mit schweren Gerät den Zugang zu den Triebwagen zu verschaffen. Als es ihnen gelingt, wird schnell klar, dass das Ausmaß des Unfalls weit größer ist als ursprünglich gedacht. Während die Polizei zunächst von vier Toten ausgegangen war, entdeckt sie in dem zusammengepressten Metall später noch fünf weitere Leichen, ein weiterer Mensch wurde noch tot in den Trümmern vermutet.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spricht von einer "schweren Stunde in der Geschichte des Zugverkehrs in Deutschland". Und dennoch sagen die Einsatzkräfte, dass das Ausmaß der Katastrophe noch weit größer hätte sein können. Laut Polizeipräsident Robert Kopp befanden sich etwa 150 Menschen in den beiden Zügen - für diese Uhrzeit an einem Dienstag eher wenig. Da in Bayern Faschingsferien sind, waren anders als sonst keine Schüler unterwegs. Wie es zu dem Zusammenstoß auf der eingleisigen Strecke kommen konnte, ist das große Rätsel. Eigentlich ist die Strecke durch das sogenannte PZB-System gesichert. Über Magnete bremst dieses System einen Zug automatisch ab, falls er trotz eines roten Signals fährt.

Noch nie seit Einführung des Systems hat es einen Unfall gegeben, betont Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Auf der betroffenen Strecke wurde die Funktionsfähigkeit des Systems erst in der vergangenen Woche getestet, sagt ein Bahnsprecher. Ein Verantwortlicher des Meridian-Betreibers spricht davon, dass die Leitstelle beiden Zügen versehentlich ein grünes Signal gegeben haben könnte - woran es wirklich lag, will die Staatsanwaltschaft nun klären.

Für die Zugführer, die beide starben, kam der Zusammenstoß jedenfalls völlig unvorhersehbar. Die Unglücksstelle liegt hinter einer langen Kurve. Erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß dürften sie die Katastrophe auf sich zukommen gesehen haben.

Am anschließenden Rettungseinsatz sind mehr als 600 Kräfte beteiligt, mehrere aus dem benachbarten Österreich. Es ist ein extrem belastender Einsatz, wie einer der leitenden Notärzte schildert. Einzelheiten zu Verletzungen will er nicht nennen, wohl aber die Schwierigkeiten bei der Rettung.

So habe es bei einem Patienten zweieinhalb Stunden gedauert, ihn zu befreien. Der Mann sei nur vom Gesicht und mit einer Hand für die Retter zugänglich gewesen. Mit Beatmungsgerät und Medikamenten sei der Passagier stabilisiert worden, während er aus den Metalltrümmern geschnitten wurde. Am Ende konnte der Mann als Letzter geborgen und mit einem der 14 eingesetzten Rettungshubschrauber ins Krankenhaus abtransportiert werden - mit guten Chancen, die Katastrophe von Bad Aibling zu überleben.(afp)