US-Trickserien: Das überzeichnete Amerika
Kein Kinderkram: Die Simpsons legten den Grundstein für eine Welle der zynischen und politischen Trickserien.
Düsseldorf. Ein fauler Amerikaner, der im Gottesdienst schläft und in seiner Steuererklärung betrügt, wo es nur geht — das ist Homer Simpson. Dem ehemaligen US-Präsidenten George Bush Senior bereitete diese Zeichentrick-Figur bereits 1992 Unbehagen. Im Wahlkampf kündigte er an, die amerikanische Familie auf Vordermann bringen zu wollen. Sie solle „mehr wie die Waltons und weniger wie die Simpsons“ sein.
Jüngst strahlte der US-Sender Fox die 500. Folge der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ aus. Es ist 20 Jahre her, dass Homer, Bart, Lisa, Marge und Maggie dem Präsidenten schlaflose Nächte bereiteten. Seit geraumer Zeit ist der Ton der US-Serie im Vergleich zu anderen ähnlichen TV-Ablegern eher harmlos. Trotzdem waren es die Simpsons, die eine Ära der satirischen und doppelbödigen Zeichentrickserien eingeläutet haben, die jedoch neue, extremere Aushängeschilder hat.
Heute gibt der Cartoon „South Park“ den scharfen Ton an und tritt damit in die Fußstapfen der gelben Chaosfamilie. Die Macher Trey Parker und Matt Stone arbeiteten in den vergangenen Jahren Themen auf, die die Amerikaner gesellschaftlich bewegen. Zur Wahl von Präsident Barack Obama etwa rissen die Bewohner von „South Park“ bei einer exzessiven Fete die halbe Stadt ab, in dem festen Glauben, dass sich am nächsten Tag alles ändern würde . . .
Nicht zu vergessen der Fall der Terri Schiavo, der über die amerikanischen Medien hinaus hohe Wellen schlug. Die US-Amerikanerin lag 15 Jahre lang mit schwerer Hirnschädigung im Wachkoma. Zwischen Eltern und Ehemann entbrannte ein Streit über die lebenserhaltenden Maßnahmen — die Öffentlichkeit diskutierte mit.
Noch bevor Schiavo starb, hatten die South-Park-Macher Matt Stone und Trey Parker das Thema für ihre animierte Welt adaptiert. Kenny — einer der vier Hauptcharaktere der Serie — erlitt einen ebenso schweren Hirnschaden. Nur hatte der pfiffige Kerl einen besonderen Satz in seinem Testament vermerkt: „Sollte ich je ins Koma fallen, zeigt mich um alles in der Welt nicht im Fernsehen.“ Die Folge wurde mit dem TV-Preis „Emmy“ ausgezeichnet.
Warum sind es gerade Zeichentrickserien, die sich dahin vorwagen, wo es für viele Amerikaner unangenehm wird? Der Film- und Fernsehwissenschaftler Tobias Haupts hat an der Kölner Uni ein Seminar zur Gesellschaftskritik bei den Simpsons gegeben und kennt sich gut aus in der Welt des Trickfilms.
Er sagt: „Durch die harmlos wirkende Form des Zeichentricks merken viele gar nicht, was da alles kritisiert wird.“ So lassen sich bei den „Simpsons“ und bei „South Park“ Themen leichter verdaulich darstellen, weil die Verlagerung in die gezeichnete Welt einen Bruch bedeutet.
Trotzdem verspürt „South Park“ mittlerweile in den USA Gegenwind. Erzkonservative, Scientologen oder Promis, die sich nach derben Verunglimpfungen auf den Schlips getreten fühlten, riefen bereits zum Serien-Boykott auf.
An einer Episode zum Mohammed-Karikaturenstreit verbrannten sich die Autoren Parker und Stone schließlich die Finger. In der 200. Folge von „South Park“ ließen sie Mohammed in einem Bärenkostüm auftreten. Am Ende steckte gar nicht der Prophet in der Verkleidung — sondern der Weihnachtsmann.
Eine indirekte Provokation, die jedoch landete. Eine islamistische Website warnte, den South-Park-Machern könnte es ergehen wie einst dem holländischen Filmemacher Theo van Gogh. Der wurde im November 2004 von einem Islamisten ermordet. Der US-Sender „Comedy Central“ strahlte die Folge einmal zensiert, dann gar nicht mehr aus.
Die Simpsons hingegen sind der Beweis, dass sich eine Serie auch wieder in die sichere Welt des Cartoons zurückziehen kann. Aufregerthemen gab es in den vergangenen Jahren immer weniger. Auch wenn die 500. Folge dann doch noch einmal den Versuch einer Kontroverse wagte.
Julian Assange, der Gründer von Wikileaks — einer Enthüllungs-Plattform im Internet —, trat in der Jubiläums-Episode auf und sprach seine Rolle selbst. Assange kämpft zurzeit in Großbritannien gegen seine Auslieferung nach Schweden, wo ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. In der gelben Welt wurde das Thema ausgeschwiegen. Bei „South Park“ wäre das sicherlich nicht passiert — und Assange hätte vermutlich nicht mitgewirkt.