Vater gesteht, Tochter für „Familienehre“ getötet zu haben

Darmstadt (dpa) - Mit dem Geständnis des Vaters hat in Darmstadt ein Prozess gegen strengreligiöse muslimische Eltern um die Tötung ihrer Tochter begonnen.

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Der 52-Jährige und die 41 Jahre alte Mutter sollen die 19-Jährige vor acht Monaten gemeinschaftlich ermordet haben, um die „Familienehre zu retten beziehungsweise wiederherzustellen“, sagte Staatsanwältin Barbara Sieger beim Verlesen der Anklage vor dem Landgericht. Die junge Frau habe einen Freund gehabt, mit dem sie nicht verlobt gewesen sei. Vater und Mutter hätten von sexuellen Kontakten des Paares erfahren.

Der Vater würde die Tat „am liebsten ungeschehen machen“, sagte dessen Anwalt, der die Erklärung im Namen seines Mandanten abgab. Der 52-Jährige habe berichtet, er sei „im letzten Moment des Tötungsaktes wie „weg“ gewesen“. Laut Anklage erwürgte der Vater seine Tochter. Er habe der Schlafenden Ende Januar in Darmstadt „minutenlang ihren Hals zugedrückt“, die Mutter sei einverstanden und dabei gewesen. Die 41-Jährige habe bei der Planung der Tat und der Beseitigung der Leiche geholfen.

Die Mutter ließ über ihren Anwalt mitteilen, sie sei von der Tat überrascht und dann dazu gezwungen worden, beim Wegschaffen der Leiche zu helfen. Ihr gesamtes Leben, sagte der Anwalt, sei stark „vom Leben in der muslimischen Gemeinde“ bestimmt gewesen, „von den Geboten der Religion“. Die Beziehung der 19-Jährigen - an den Eltern vorbei - habe „deren Denken erschüttert“. Als dann die Polizei die Tochter verdächtigt habe, Modeschmuck und Kondome gestohlen zu haben, sei beim Vater eine Sicherung durchgebrannt.

Der Fall hatte Aufsehen erregt. Schon bei den damaligen Ermittlungen waren die moralischen Vorstellungen der Eltern als Auslöser für die Tat vermutet worden. Die Leiche der 19-Jährigen war etwas außerhalb von Darmstadt an einem Parkplatz entdeckt worden. Laut Anklage hatten die Eltern der Toten Straßenkleidung angezogen und sie zu dem Gelände geschafft. „Dann warfen sie den Leichnam ihrer Tochter eine Böschung herunter“, sagte Staatsanwältin Sieger.

In dem Prozess tritt die Schwester der Getöteten als Nebenklägerin auf. Zum Auftakt wurde sie als Zeugin gehört, vom Zeugnisverweigerungsrecht als Tochter wollte sie keinen Gebrauch machen. Als das Mädchen den Gerichtssaal betrat, brachen die Eltern in Tränen aus. Die 14-Jährige erzählte, die Eltern seien sehr streng gewesen: „Wir mussten auf jede Kleinigkeit achten.“ Das Thema Liebe und Jungs sei tabu gewesen. Die Mutter habe sie mit einem Stock geschlagen. Kontakte zu Freunden außerhalb des Schulunterrichts seien schwierig gewesen.

Die Version der Mutter, der Vater sei die dominierende Person in der Ehe gewesen, teilte die Tochter nicht. Der Vater habe die Mutter nicht unterdrückt: „Eher anders herum.“ Ihre Mutter habe auch alles daran gesetzt, dass sie als jüngere Schwester in der Tatnacht nicht zu Hause schlafe, sondern bei der Tante, berichtete die 14-Jährige. Inzwischen habe sie den Kontakt zu den Eltern und der weiteren Verwandtschaft abgebrochen.