Vier Monate in Piratenhand: Psychoterror rund um die Uhr
Der Kapitän der „Hansa Stavanger“ berichtet von Schikanen und Scheinhinrichtungen.
Mombasa. Langsam kommt das Lächeln wieder. In blauen und orangefarbenen Overalls oder T-Shirts stehen die Besatzungsmitglieder des deutschen Frachters "Hansa Stavanger" an Deck, als das Schiff am Samstag im Hafen von Mombasa in Kenia festmacht. Sie winken den wartenden Journalisten zu. Nach vier Monaten in den Fängen somalischer Seeräuber ist für die 24 Mann an Bord, darunter fünf Deutsche, der Alptraum endlich vorbei.
"Nach vier Monaten sind wir sehr müde", sagt der erschöpfte Kapitän der "Stavanger", Krzysztof Kotiuk. "Wir möchten allen danken, die bei den Verhandlungen dazu beigetragen haben, diese fürchterliche Situation zu beenden." Zuvor hatte er von einem Martyrium mit Scheinhinrichtungen und anderen Schikanen der Piraten während der Geiselhaft berichtet. Noch bevor das Schiff richtig festgemacht hat, bringt ein Schlepper schon mal einen Zahnarzt und einen Allgemeinmediziner an Bord.
"Die Hälfte der Mannschaft musste vom Zahnarzt behandelt werden", sagt Torsten Ites, der Kommandant der deutschen Fregatte "Brandenburg". Derweil liegt die "Stavanger" noch ein paar hundert Meter weit weg vor Anker. Die "Brandenburg" hatte den Frachter nach der Freigabe am vergangenen Montag bis in den sicheren Hafen begleitet. Es sollen 2,1 Millionen Euro Lösegeld bezahlt worden sein.
Jedes dritte Mannschaftsmitglied sei auch gleich medizinisch versorgt worden. "Ich freue mich sagen zu können, dass es allen gut geht. Langsam kommt das Lächeln wieder", meint Ites. "Sie sind alle zuversichtlich, nun da sie in Freiheit sind und wieder erste Schritte in Freiheit tun." Doch hinter den Seeleuten liegt ein Martyrium. Gewalt, Angst und psychische Folter waren an der Tagesordnung. "Psychoterror rund um die Uhr", berichtet Kapitän Kotiuk.
Die hygienische Situation war furchtbar. Sogar Zahnpasta und Zahnbürsten nahmen ihnen die Seeräuber weg. "Sie haben alles gestohlen", sagt Ites. Die Mannschaft musste auf der Brücke kampieren. Vier Monate lang. "Das Schiff war in dem Zustand, den man nach einem Piratenüberfall erwartet", sagt Kapitän Ites. "Wenn Piraten ein Schiff kapern, hat das nichts mit Saubermachen zu tun."
Rückblick: Einige Tage nach der Geiselnahme hatte der 170 Meter lange Frachter nahe dem somalischen Piratenunterschupf Haradhere Anker geworfen. An Bord wurde die Lage immer dramatischer. "Wir haben kein Wasser, kein Essen, keine Medikamente", schreibt der Kapitän Anfang Juli in einer E-Mail. "Wir können nicht mehr."
Die 24 Mann sollten sich nun erst einmal in einem Strandhotel in Kenia von den Strapazen erholen, medizinisch und auch psychologisch betreut werden. Die Angst, das lange Bangen ihrer Familien, hat ein Ende.
Kotiuk geht, der neue Kapitän Bernd Jantzen kommt. Auch seine Familie hat Angst vor den Piraten. "Das ist mein Job, und damit muss ich zurechtkommen", meint er nüchtern. Von bewaffnetem Begleitschutz hält er nichts. Auch mehr Kriegsschiffe seien nicht die Lösung, meint der bärtige 59-Jährige, während er auf dem Kai eine Zigarette raucht. Dabei rüstet er sich mental bereits für den Tag X. "Ich versuche bereits im Vorhinein darüber nachzudenken, was im Ernstfall zu tun ist, aber eine Entscheidung muss dann im Bruchteil einer Sekunde gefällt werden", sagt Jantzen.