Vögel sollen es am Flughafen ungemütlich haben

Frankfurt/Main (dpa) - Plötzlich muss es schnell gehen. Jürgen Ebert gibt Gas, lenkt sein Allradauto über einen Feldweg entlang einer Start- und Landebahn.

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Aus seiner Schreckschusspistole kommt ein lauter Knall, ein Schwarm Stare sucht das Weite. Kurz darauf dröhnt ein Jet vorbei, wuchtet sich in die Höhe. Aufgabe erfüllt. Ebert ist Biologe und als Leiter des Wildlife Control Teams am Frankfurter Flughafen unter anderem dafür da, Vögel zu verscheuchen, die Flugzeugen gefährlich können. Vergrämen heißt das im Fachjargon.

„Wir sorgen für ein reibungsloses Miteinander von Natur und Flughafenbetrieb“, umschreibt Ebert den Job seines vierköpfigen Teams. Es ist täglich während des Flugbetriebs am größten deutschen Airport von 5 bis 23 Uhr in Rufbereitschaft und kümmert sich um rund 620 Hektar Wald sowie 50 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche im Umfeld. Das Grundprinzip: Es Vögeln möglichst ungemütlich zu machen, etwa indem man sie nicht in Ruhe lässt. Und Freiflächen so gestaltet, dass sich dort nicht allzu viele Beutetiere tummeln.

Meistens gehen Vogelschläge - Kollisionen von Maschinen mit Vögeln - glimpflich aus, wie Ebert sagt. In 90 Prozent der Fälle entstehe gar kein Schaden, in ganz wenigen Fällen könne es aber gefährlich werden. „Der Start ist kritischer als die Landung, weil die Systeme da auf Volllast laufen“, erklärt Ebert. Ab der Größe eines Turmfalken, der bis zu 1400 Gramm wiegen könne, fange es an, kritisch zu werden. Aber auch kleinere Vögel könnten in Schwärmen Probleme machen.

Vogelschlag-Fälle mit in Deutschland registrierten Maschinen der gewerblichen Luftfahrt werden dem Deutschen Vogelschlagkomitee gemeldet. Dessen Vorstandsvorsitzender ist der Vogelschlagbeauftragte des Stuttgarter Flughafens, Hans Peter Schmid. Er sagt: „Es gibt nie hundertprozentigen Schutz.“ Die Fallzahl sinke tendenziell, variiere aber - je nach den Bedingungen für Jungvögel im jeweiligen Jahr.

„Sie können keinen Flughafen absolut vögelfrei bekommen“, betont Schmid. Kein Flughafen sei mit dem anderen vergleichbar. Während in Hamburg und Bremen vor allem Seevögel wie Möwen eine Herausforderung seien, liege in München und Stuttgart der Fokus auf Greifvögeln. Auch in Frankfurt fliegt allerlei umher - trotz Lautstärke. Das Spektrum reicht von Bussarden über Milane, Turmfalken und Singvögel bis zu Wasservögeln. Nil-, Grau- und Kanadagänse würden mehr, sagt der bei Fraport angestellte Ebert. „Das sind unsere Sorgenkinder.“

Weil große Flächen auf dem Areal quasi nie betreten werden, finden sich hier auch Arten, die im dicht besiedelten Umland kaum noch vorkommen. Beispiel Feldlerche: Diese gilt als gefährdet und lärmempfindlich, fühlt sich am Flughafen dennoch pudelwohl. „Hier gibt es keine Menschen und Hunde, das ist für Bodenbrüter wichtig“, erklärt Ebert. Rund 300 Brutpaare seien es am Flughafen, eine der größten Populationen auf dem europäischen Festland. Die Tiere tolerierten den Krach offenbar angesichts der anderen Vorteile.

Wenn in Frankfurt am Main ein Pilot einen Verdacht auf Vogelschlag hat, muss die Bahn kontrolliert werden. „Da der Betrieb eng getaktet ist, bringt das einiges durcheinander“, sagt Ebert. Also wird vorgebeugt - im Rahmen des Möglichen. „Tiere wollen fressen, schlafen und sich vermehren“, erklärt Ebert. „Das versuchen wir hier am Flughafen zu verhindern. Das Gelände soll für sie unattraktiv werden.“

Auf Schildern sind Spitzen - Spikes - angebracht, damit sich Vögel nicht draufsetzen. Auf Grünflächen achten die Biologen darauf, dass keine Pflanzen wachsen, die auf Vogel-Speiseplänen stehen - etwa bestimmte Beeren. Gepflanzt wird ein bestimmter Grasmix. Der dürfe nicht zu üppig wachsen, müsse mit Trockenheit klarkommen, den Boden zusammenhalten und eine geschlossene Grasnarbe bilden, sagt Ebert. Gemäht wird - außer an Bahnrändern - nicht kürzer als 25 Zentimeter. Greifvögel könnten Beute wie Mäuse dann nicht mehr entdecken, und größere Vögelschwärme fühlten sich in hohem Gras nicht wohl.

Vertrieben werden Vögel vom Wildlife Control Team unter anderem mit einem Laser. Aus mobilen Lautsprechern tönen Vogelschreie, die andere gefiederte Gäste vertreiben sollen. Gearbeitet wird auch mit Signalpistolen und Schreckschusswaffen - und wenn gar nichts mehr hilft und akute Gefahr droht, liegen auch scharfe Waffen parat. „Damit muss man am Flughafen aber sehr vorsichtig sein“, sagt Ebert.

Ebert und sein Team beraten den Flughafen auch bei Neuprojekten. Am Terminal 3 seien lange Fenstervorsprünge vorgesehen. „Ebene Vorsprünge sind für Vögel aber sehr attraktiv, abgeschrägte weniger“, sagt er. Nischen und Vorsprünge könnten Tiere anziehen, müssten mit Netzen abgespannt werden.

Ebert selbst kam über einen Studentenjob bei der Gartenabteilung vor Jahren an den Flughafen. Ihm ist bewusst, dass er unter der Masse der Flughafenangestellten eher ein Exot ist. „Wir sind umgeben von Ingenieuren“, sagt er. Da müsse manchmal Überzeugungsarbeit geleistet werden. Denn: „Die Natur ist nicht immer steuer- und kontrollierbar.“