Vom Millionär zum Bettelmönch

Verzicht: Hermann Ricker war erfolgreicher Unternehmer in Singapur. Nach einem Autounfall verschenkte er seine Firma.

Düsseldorf. "Wer los lässt, hat zwei Hände frei", sagt der Mann in dem asiatisch anmutenden Leinenhemd. Er hieß mal Hermann Ricker und ist streng katholisch in Offenbach aufgewachsen, das Hessische ist auch heute nicht zu überhören. Im Loslassen hat er Erfahrung, schließlich verschenkte er seine Millionen, um auf einer einsamen Insel zu meditieren.

Als 1995 ein Lastwagen in Malaysia frontal in seinen Jaguar fuhr, sich dieser mehrfach überschlug, er selbst aber bis auf einen Splitter im Ohr unverletzt ausstieg, krempelte der Deutsche sein nach ökonomischen Maßstäben so erfolgreiches Leben um. "Durch den Unfall habe ich entdeckt, dass ich zwar viel wusste, aber nichts über mich. Was tue ich hier, warum bin ich hier? Und die Antworten darauf konnte ich nur in mir selbst finden."

Der 44-Jährige verschenkte sein Unternehmen mitsamt Yacht und Lotus-Sportwagen an zwei Mitarbeiter. Er ging nach Thailand, um als Bettelmönch zu leben, und bekam den Namen Master Han Shan (großer Berg). Das Land kannte und liebte er schon von früheren Ferienaufenthalten, hatte auch schon bei Mönchen meditiert - damals noch, "um fürs Geschäft Stärke zu haben".

Nun zog der frühere Millionär mit einer übersichtlichen Ausstattung aus Bastmatte, Gaskocher und Blechschüssel auf die unbewohnte Insel Don Sawann in einem See in Nordthailand. "Die Entscheidung ist mir gar nicht so groß vorgekommen, sie schien mir schlüssig", sagt er. "Ich fühlte mich dabei leicht und wohl."

Ungewohnt war zunächst trotzdem, dass er kein Personal mehr hatte und alles selbst machen musste: "Manchmal wäre ich schon gern zurückgerast." Stattdessen setzte er früh um fünf mit dem selbstgebauten Floß zum Seeufer über und ging auf Betteltour: "In Thailand ist es eine große Ehre, jemanden zu unterstützen, der den Buddhismus gut praktiziert. Meine Körbe waren bald so voll, dass ich noch eine Schule unterstützen konnte." Ansonsten meditierte er bis zu 15 Stunden am Tag.

Der Verzicht auf viele Genüsse sei ihm leicht gefallen. "Wenn ich stark an etwas denken musste, habe ich mich immer gefragt: Sterbe ich, wenn ich das jetzt nicht bekomme?" Auch sexuelle Enthaltsamkeit sei kein Problem, denn durch die Meditation sei er glücklicher als er es je mit seinen Freundinnen war.

Nach zwei Jahren auf der Insel ging er ins Kloster, schließlich legte er die gelbe Kutte wieder ab: "In Thailand sind fast alle nur eine Weile lang Mönch." Den Namen Master Han Shan behielt er, denn er wollte seine Erfahrungen weitergeben. Er hält Vorträge in Deutschland - nicht als buddhistischer Missionar, sondern um praktische Lebenshilfe anzubieten: "Ich möchte den Menschen einen leichteren Weg mitteilen."

Dabei wirkt der 58-Jährige nicht etwa entrückt und durchgeistigt, sondern ganz handfest, er spricht schnell und bestimmt. Die frühere Unternehmer-Autorität blitzt auf, zum Beispiel sagt er gern: "Das ist einfach so, und Schluss." Zugleich wirkt der Mann inmitten des hektischen Vorweihnachtsgetümmels fast provozierend ausgeglichen. Ärger und Stress lässt er an sich abgleiten: "Alles kommt, alles geht."

"Was macht der Ärger? Er baut sich auf und verpestet mein Umfeld. Das ist nicht gut für mich", sagt Master Han Shan. Auf einem geschenkten Stück Land hat er in jahrelanger Arbeit drei großzügige Bungalows als Urlaubsdomizil für meditationswillige Europäer gebaut. Er selbst schläft bis heute in einer Hütte im Wald, seinen früheren Reichtum vermisst er nicht: "Ich empfinde heute eine Form des Glücks, von der ich mir nicht vorstellen konnte, dass es sie gibt."