Vom Nazi-Bau zur Jugendherberge

Der Koloss von Prora wurde in den 30ern als NS-Seebad geplant.

Prora. In den Treppenhäusern leuchten bunte Farben. Kinder rennen über die Flure, fröhliche Betriebsamkeit erfüllt den Speisesaal in der neuesten Jugendherberge Mecklenburg-Vorpommerns in Prora auf Rügen. Der Ostseestrand liegt — nur getrennt von einem schmalen Streifen von Küstenkiefern — wenige Meter von dem 4,5 Kilometer langen Gebäudekomplex entfernt. In dem als „Seebad der 20 000“ geplanten, nationalsozialistischen Bau hat das Deutsche Jugendherbergswerk 152 Meter bezogen. Am Montag eröffnete es seine mit 400 Betten größte Jugendherberge im Land, die sechstgrößte bundesweit.

Herbergsleiter Dennis Brosseit ist Leiter einer Einrichtung an einem besonders geschichtsträchtigen Ort. Prora sollte die weltweit erste Ferienanlage für den Massentourismus werden. 1935 lobte Robert Ley, Chef des Einheitsverbandes „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF), einen Architektenwettbewerb für ein Seebad der NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ aus. Das Geld für den gigantischen Urlaubskomplex hatte sich die DAF 1933 aus dem Vermögen der zerschlagenen deutschen Gewerkschaften einverleibt.

Ziel der Freizeitanlage mit Promenade, Läden und Zimmern mit Meerblick: das deutsche Volk im Erleben eines preiswerten Urlaubs an der See für die Ideologie des Nationalsozialismus zu gewinnen und gleichzuschalten.

Doch soweit kam es nicht: Mit Kriegsbeginn im Jahr 1939 wurden die Arbeiter zu kriegswichtigeren Projekten abgezogen. Während des Zweiten Weltkrieges und später in der DDR wurde die Anlage militärisch genutzt. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde sogar über einen Abriss der Betonmassen spekuliert, doch der Koloss von Rügen wurde unter Denkmalschutz gestellt.

Das Credo der Landespolitik und des Deutschen Jugendherbergswerkes für Prora lautet heute „Bunt statt braun und grau“. Von einer Umkehrung des Nazi-Gedankens ist die Rede, von Vielfalt statt Gleichschaltung, und von Toleranz. „Wenn Rechtsextreme jetzt glauben, Prora zur Wallfahrtsstätte für ewig Gestrige machen zu müssen, werden sie hier kein Forum finden“, sagt die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD).