Von der freien Liebe und Facebook

Ex-Kommunarde Rainer Langhans wird 70 Jahre alt, hat einen Harem und schimpft immer noch über „die Spießer“.

München. Seine Lockenmähne ist grau geworden - seine politischen Ideale sind jedoch noch die gleichen. Rainer Langhans steht für die 68er-Revolution und die sexuelle Befreiung. Seine Beziehung zur schönen Uschi Obermaier ist Teil deutscher Geschichte.

In den 60er Jahren gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der legendären Berliner Kommune 1, Keimzelle der 68er Ideologie und Feindbild für das bürgerliche Deutschland. Während die meisten seiner Mitstreiter jedoch längst mit eigenem Haus, Auto und Kleinfamilie auf die "andere Seite" gewechselt sind, lebt Langhans mit einem Harem von vier Frauen zusammen und schimpft immer noch über die "Scheiß Spießer". Am Samstag wird er 70.

Ohne Mühe schwingt er sich auf sein rostiges Fahrrad und fährt durch den Münchner Stadtteil Schwabing, wo er seit Jahren wohnt. "Dass die Leute sich irre aufführen, das lernen sie in der Kleinfamilie", sagt Langhans und begründet damit, warum er sich immer sehr darum bemüht hat, anders zu leben.

"Ich war ein komisches Kind", sagt er. Sein Vater habe ihn "natürlich klassisch" verprügelt. Schließlich sei er von der Familie abgeschoben worden in ein strenges, freikirchliches Internat. Dann ging er freiwillig zur Bundeswehr, später nach Berlin, wo er zuerst brav Jura und dann Psychologie studierte. Beendet hat er das Studium nie. Weil es "Differenzen" mit seinem Professor gab. Im "Argumentclub" dann fand er endlich Gleichgesinnte. "Mir wurde sofort klar: Ich bin total normal, und total gesund, wenn ich diese Welt als total krank ansehe."

Er wurde Mitbegründer der Kommune 1, deren Mitglieder sich gern gemeinsam nackt fotografieren ließen, gegen die Nazi-Generation, den Schah und den Vietnam-Krieg demonstrierten und ein Pudding-Attentat auf den US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey planten, das aber scheiterte. Frauen, Männer und auch Kinder lebten dort zusammen. Es wurde diskutiert, debattiert, gefeiert und geliebt. Langhans beschreibt die Zeit heute als "Groß-Ekstase", die vor allem von der spirituellen Verbindung der Kommunarden lebte - und vom Foto-Model Uschi Obermaier, in die Langhans sich schwer verliebte. Erst, als die Schöne eifersüchtig wurde und nicht wollte, dass Langhans mit anderen Frauen ins Bett geht, sei die Liebe eingeschlafen.

Heute lebt er mit vier Frauen zusammen. Die fünfte hat sich aus dem Harem zurückgezogen. Den Kontakt zu seinen Frauen, die alle eigene Wohnungen haben, hält er vor allem über seine beiden Handys, von denen eins bei einem Anruf wie ein Frosch quakt. Für eine Fernseh-Doku ließ er sich, seine Frauen und den täglichen Zickenkrieg filmen. Er habe inzwischen kaum noch ein Problem mit Eifersucht, betont Langhans. Auch bei seinen Frauen sei es "ruhiger geworden".

Mit vielen der Ex-Kommunarden liegt Langhans heute im Clinch. Auf Obermaier ist er wütend, weil sie der "Bild"-Zeitung gesagt hat, er sei "ein Brett im Bett" gewesen und weil er in ihrem Film "Das wilde Leben" nicht gut wegkam. Fritz Teufel - heute rechtsextrem - ließ die Öffentlichkeit spöttisch wissen, Langhans rede mit Tomaten. Auch mit den Linken von heute kann das 68er-Idol nichts anfangen.

Seine Verbündeten sieht Langhans vielmehr in der Jugend, die den Großteil ihrer Zeit in Internet-Foren wie Facebook verbringen und mit "hunderten Menschen auf der Welt friedlich verbunden sind". Sie lebten das Leben, das er und seine Mitstreiter in den 60ern als Utopie entwickelt haben, in einer virtuellen Welt: "Das, was ich mir gewünscht habe, ist eingetreten. Nur heißt es heute nicht mehr Kommune, sondern Communities."