Von Samt, Seide und Baumwolle - Unterwäsche aus 150 Jahren
Chemnitz (dpa) - Heiß und sexy, bieder oder einfach nur bequem: Dessous sind nicht einfach nur Bekleidung. An ihnen zeigt sich, wie sich Frau zur jeweiligen Zeit sieht.
Ob feine Seide, exquisite Spitze oder der klassische Baumwollslip: Das Chemnitzer Industriemuseum zeigt anhand von 500 Korsetts, Reifröcken, Hemdchen, Schlüpfern und Unterröcken, was die Frau in den vergangenen 150 Jahren drunter trug. „An der Unterwäsche ist das veränderte Rollenbild der Frauen gut zu erkennen“, sagte die Kuratorin Rita Müller . Die Ausstellung ist vom 19. April bis zum 7. Juli zu sehen.
„Für die Frauen des 19. Jahrhundert vor allem aus bürgerlichen und adligen Kreisen ging zunächst darum, eine gute Figur zu machen. Der Mann ging außer Haus, die Frau repräsentierte“, sagte Müller. Das Schnürmieder machte Frauen zu zarten, gebrechlichen Wesen. Die Taille wurde zusammengeschnürt, oft auf einen Umfang bis zu 48 Zentimetern, die Brust gehoben. Die Männer fanden es sexy, die Ärzte besorgniserregend. Später waren diese Teile gar aus Samt, das „kleine Schwarze“ für darunter. Es gab Korsetts für den Tag und für die Nacht, und eigentlich sei das Kleidungsstück in allen Bevölkerungsschichten verbreitet gewesen - so ein Fazit der Schau.
Für die Frau geriet das Ankleiden zur aufwendigen Prozedur: Auf das eher einfache, oft weiße Unterhemd und die Unterhose folgten Korsett, die Krinoline - der Reifrock - sowie mehrere Unterröcke, dann Robe oder Kleid. Schnüre, Schleifen, Knöpfe und Häkchen machten das An- und Auskleiden zur Zeremonie. Dabei hatte es Müller zufolge vor allem die Unterhose bei den Frauen nicht einfach. „Die Hose galt als typisch männlich.“ Deshalb wurden zunächst unter anderem zwei separate Hosenbeine zusammengebunden, es gab Strapse und Strümpfe, ehe sich die Frauenwelt zu Hose und zu Schlüpfer durchrang. „Vieles, was heute altmodisch oder bieder erscheint, galt vor 150 Jahren als hocherotisch“, sagte Müller.
In den 20ern verschwand das Korsett. Die Frauen drängten ins Berufsleben, der Büstenhalter kam in Mode. Die Ausstellung zeigt auch gestrickte Versionen. Nicht immer sollten diese die femininen Rundungen betonen. „Zunächst wurden diese geradezu platt gedrückt. Jahre später wieder waren mehr üppige Formen modern. Die BH's wurde ausgepolstert. Das war ein Auf und Ab“, sagte Müller.
In den 50ern ersetzte der Petticoat den Unterrock. Nach 1970 kam nach viel weiß und beige Farbe ins Spiel. Unter Bluse und Rock ging es grün, gelb oder violett zu. Der Minirock ließ auch bei der Unterwäsche den Stoff auf eine Minimum schrumpfen. Bisweilen wurde kein BH getragen.
Das Korsett erlebt heute seine Wiederauferstehung und wird sogar in der Oberbekleidung angedeutet. „Die Wäsche ist verführerisch elegant oder sportlich“, erklärte Müller.
Sehr viel dürftiger sah und sieht es bei der Unterwäsche für Männer aus, wo einige Beispiele in einer kleinen Ecke der Ausstellung zu sehen sind. Unterhemd, Unterhose - fertig. „Der Mann ist anders orientiert. Er definiert sich oft nicht über Kleidung, sondern seinen sozialen Status“, sagte Müller. Analysen hätten ergeben, dass Männer weniger Geld für Unterwäsche ausgeben. Und wenn sie sich etwa für eine bestimmte Unterhose entschieden hätten, blieben sie diesem Typ jahrzehntelang treu, ohne weiter Gedanken daran zu verschwenden.