Vor 50 Jahren fror der Rhein zu - heute undenkbar
Eisbrecher vermutet man am Nordpol. Vor 50 Jahren hatten sie aber auch auf dem Rhein zu tun, der Winter war extrem kalt. Die „Prüsmann“ brach den Duisburger Hafen auf - und da liegt sie bis heute.
Duisburg (dpa). Wenn es mal Frost gibt im Winter, ist das gleich etwas für die Nachrichten, und zweistellige Minusgrade machen Schlagzeilen. Vor 50 Jahren hätte man darüber nur gelächelt. Denn damals brauchte man am Rhein einen Schiffstyp, den man eher am Nordpol vermutet - Eisbrecher. 1962/63 herrschte wochenlang klirrende Kälte, so dass der Rhein zwischen Köln und Emmerich eine geschlossene Eisdecke bildete, Eisgang genannt.
Das hat es laut der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz seither nicht mehr gegeben. 1963 aber ließ das Tauwetter bis März auf sich warten. Dann erst wurde es langsam milder, und für Eisbrecher wie die „Prüsmann“ im Duisburger Hafen endete allmählich der wochenlange Dauereinsatz.
Im Januar und Februar spazierten die Anwohner an sonnigen Sonntagen munter und warm angezogen auf dem Rhein über eine mehrere Dezimeter messende Eisdecke, Kinder fuhren Schlittschuh darauf. In den Monaten verzeichnete das Gewässerkundliche Jahrbuch bei Duisburg-Ruhrort 28 Tage Treibeis.
„Das war ziemlich gefährlich“, sagt Benno Dröge von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz, „vor allem, wenn sich das Eis staute und durch den Wasserdruck von unten aufbrach. Dann konnte es hohe Flutwellen geben, die zu Überschwemmungen führten.“
Auch im Duisburger Hafen legte der eisige Winter damals den Betrieb lahm. Das bedeutete viel Arbeit im Einsatzgebiet der insgesamt drei Eisbrecher. Ihre Besonderheit bestand darin, dass die geballte Kraft des 150-PS-Dieselmotors das abgeflachte Vorderschiff auf das Packeis schob, das unter den 38 Tonnen Schiffsgewicht in Stücke brach.
So schafften sie Schollen von bis zu 25 Zentimetern Dicke, erzählt Manfred Ahrens, der die „Prüsmann“ 2002 vor dem Verschrotten rettete. Das historische Schiff, Baujahr 1927, liegt heute - als ältestes seiner Art immer noch fahrbereit - im Eisenbahnhafen.
Ahrens ist stolz auf den 15 Meter langen Kraftprotz, auch wenn der für den Einsatz auf dem Rhein selbst wegen der gewaltigen Unterströmung dann doch zu schmächtig war. Dafür brach er ungezählte festgesetzte Schleppkähne im Hafengebiet frei, und die Schiffsleute waren dankbar. Denn oft genug hieß es für sie durch das Eis: „Keine Fahrt, keine Fracht, kein Geld.“
Dass der Rhein jemals wieder so zufriert wie im Rekordwinter 1962/63 mit fast vier Monaten strengem Frost, nachts oft im zweistelligen Minusbereich, hält Gewässerexperte Benno Dröge mittlerweile für ausgeschlossen: „Er ist wesentlich sauberer geworden, ja. Aber Kraftwerke und Kläranlagen heizen das Wasser zu sehr auf. Das wird nichts mehr mit Eisgang.“