Vor Prozess-Auftakt Waffenhändler des Münchner Amokläufers war rechtsextrem
München (dpa) - In dem kahlen, fensterlosen Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichts findet seit Jahren der NSU-Prozess statt. Am 28. August wird dort allerdings nicht Beate Zschäpe auf der Anklagebank Platz nehmen, sondern der 32-jährige Philipp K..
Angeklagt ist er, weil er dem 18-jährigen David S. eine Pistole der Marke Glock mit mindestens 100, möglicherweise mehr als 200 Schuss Munition verkauft haben soll. Mit dieser Pistole feuerte S. am 22. Juli 2016 vor dem Olympia-Einkaufszentrum im Münchner Norden um sich. Neun Menschen starben. Am Ende tötete sich der Attentäter selbst.
Während über die Motive des Amokläufers viel bekannt ist, halten sich die Behörden über die Beweggründe des mutmaßlichen Waffenlieferanten bisher zurück. Dabei finden sich zu beiden zahlreiche Hinweise in den Ermittlungsunterlagen.
David S. war als Sohn iranischer Eltern geboren worden und hatte den Namen Ali erhalten. Mit 18 benannte er sich um in David. Migranten habe er gehasst, den norwegischen Massenmörder Anders Breivik dagegen als Vorbild verehrt, heißt es in einem Vermerk des Bayerischen Landeskriminalamts.
Während eines stationären Aufenthalts in der Jugendpsychiatrie des Klinikums München-Harlaching ein Jahr vor dem Amoklauf habe er mehreren Mitpatienten gesagt, sie sollten ihn „Amokläufer Z“ nennen. Er habe angekündigt, Menschen umzubringen. Aufgefallen sei den Mitpatienten auch, dass er ständig Hakenkreuze gemalt und gesagt habe, er stehe hinter dem, was Adolf Hitler tat.
Auf den NS-Diktator hatte auch der Waffenlieferant K. verwiesen: Für die Verschlüsselung seiner vertraulichen Chats verwendete er die Kennung „johnnyrico4k (Heil Hitler)“, wie das Zollkriminalamt in Frankfurt/Oder ermittelte. In einem Vermerk des Zollfahndungsamtes in Frankfurt/Main ist von offensichtlich rechtsextremer Gesinnung die Rede. Die Fahnder begründen ihre Einschätzung mit Daten auf K.s Handy. Er habe in WhatsApp-Nachrichten mit „Heil Hitler“ gegrüßt. Auf dem Handy hätten sich Bilder von Hitler und Hakenkreuzen gefunden.
Als Hinweis auf rechtsextreme Gesinnung gilt auch ein Video, das K. mit anderen Personen während einer Autofahrt zeigt. Darauf ist zu sehen und zu hören, wie er sich immer wieder lautstark abfällig über Muslime äußert.
Kennengelernt hatten sich K. und der Amokschütze über ein verschlüsseltes Internetforum. Auf dieser Plattform sollen sie sich auch zur Übergabe und Bezahlung der Tatwaffe verabredet haben. S. soll dafür zu K. nach Marburg in Hessen gereist sein. Auch bei diesem Treffen soll S. bereits seine Tat angekündigt haben. Das hatte ein Mithäftling ausgesagt, dem K. davon in der Untersuchungshaft erzählt habe.
K. selber hatte zudem einem seiner Kontakte in dem Kontaktforum geschrieben, er habe mit dem Waffenhandel deshalb angefangen, weil 90 Prozent seiner Kunden Angst vor Flüchtlingen oder Einbrüchen hätten. Auch das ermittelte das Zollfahndungsamt in Frankfurt/Main.
Einen noch konkreteren Verdacht äußerte ein Mann, von dem bisher nur das Pseudonym „blab“ bekannt ist. Er wandte sich einige Monate nach dem Amoklauf über einen Tarn-Account an einen Zollfahnder. Er teilte ihm mit, K. alias „Rico“ sei über seinen Kunden David S. begeistert gewesen und habe sich gefreut, dass endlich jemand eine Waffe für die Ermordung von Migranten verwende. „Rico“ habe ihm für die Planung des Amoklaufs sogar Vorschläge unterbreitet. Überprüfen konnten die Behörden die Angaben von „blab“ bisher nicht; Rückfragen habe er nicht beantwortet.
Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht zu den Informationen äußern - mit Rücksicht auf die „unmittelbar bevorstehende Hauptverhandlung“, wie ein Sprecher mitteilte. Ein rechtsextremes Motiv für die Lieferung der Amok-Waffe wollte die Anklagebehörde bisher nicht erkennen und hielt an den Anklagevorwürfen fest: Verstoß gegen das Waffengesetz und fahrlässige Tötung. Anwälte von Nebenklägern haben das kritisiert. K.s Verteidiger wollten auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.