Erstmals seit 30 Jahren Weißer Hai nahe Mallorca: Manche zittern, manche jubeln

Palma de Mallorca (dpa) - Die Wissenschaftler trauten ihren Augen nicht. Unweit der spanischen Urlaubsinsel Mallorca ist einer Forschungsexpedition die erste nachweisbare Sichtung eines Weißen Hais in dieser Mittelmeerregion seit mehr als 30 Jahren gelungen.

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„Wir waren aus dem Häuschen“, sagt einer der beiden Leiter der Expedition, der angesehene Zoologe und Naturfilmemacher Fernando López-Mirones, am Freitag auf dem Forschungssegelschiff Töftevaag im Telefoninterview der Deutschen Presse-Agentur. Die Zeitung „Diario de Mallorca“ spricht von einer „historischen Entdeckung“.

Trotz Temperaturen um die 30 Grad bekommen unterdessen einige Touristen am Freitag auf Mallorca angesichts der sensationellen Nachricht das kalte Grausen. Das mächtige Tier soll nach Angaben des Meeresforschungszentrums Alnitak immerhin fünf Meter lang sein. „Ich habe keine Angst, aber meine Frau wird nur noch bis zu den Knöcheln ins Wasser gehen“, sagt der 44-jährige Jürgen aus dem niedersächsischen Emden, der am „Ballermann“ den Urlaub genießt.

Bei den sozialen Netzwerken ließen die Reaktionen in Spanien und auch in Deutschland nicht auf sich warten. „Damit wäre dann Mallorca von der Liste meiner Reiseziele gestrichen“, kommentiert ein User die Nachricht auf dem BR24-Twitteraccount. Experten weisen alle Befürchtungen von Badegästen jedoch vehement zurück.

Der 54 Jahre alte López-Mirones wirkt mit Lederjacke und breitkrempigen Filzhut wie eine Art spanischer Indiana Jones. Er sagt: „Zu Attacken auf Menschen kommt es äußerst selten, etwa dann, wenn ein Hai seine Beute verwechselt und Surfer auf Brettern für Robben hält.“ In dieselbe Kerbe schlägt Antoni Grau, Leiter der Fischereidirektion der Balearen: „Haie nähern sich nicht dem Strand. Wenn sie das tun, dann nur, weil sie krank sind. Dann greifen sie auch nicht an.“ Es gebe sehr viel Falschinformation. „Die Karibik etwa ist voller Haie, und Zwischenfälle gibt es dort ja kaum.“

Auch Simon Weigmann, gibt sich entspannt. Er ist Vorsitzender der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft, die sich dem Schutz von Haien und Rochen widmet. Er gehe im Mittelmeer regelmäßig schwimmen und schnorcheln und wisse, dass es da durchaus auch Weiße Haie gebe.

Eine besondere Sicht der Dinge hat Friederike Kremer-Obrock von Sharkproject Germany. „Nicht der Hai ist das Problem, der Mensch ist das Problem“, meint sie. Der Mensch töte jedes Jahr bis zu 100 Millionen Haie. Haie seien intelligente Tiere, „die sich normalerweise vom Menschen fernhalten“.

Erst vor wenigen Wochen, im Mai, hatte ein ganz anderes Tier auf Mallorca Wirbel ausgelöst. Aufgrund der hochgiftigen Quallenart Portugiesische Galeere wurden damals nahe der Inselhauptstadt Palma sogar kurze Badeverbote verhängt. Schnell war die Qualle vergessen. Alles deutet nun in der Tat daraufhin, dass der Hai eine noch geringere Gefahr darstellt. Zumal das Tier am Donnerstag rund acht Seemeilen - knapp 15 Kilometer - südlich der kleinen Balearen-Insel Cabrera entdeckt wurde. Die Entfernung vom Sichtungsort zur Südküste Mallorcas beträgt rund 35 Kilometer. Bis zur Amüsiermeile „Ballermann“ sind es sogar mehr als 50 Kilometer.

Während einige Badegäste trotzdem zittern, jubeln die Umweltschützer. „Das ist eine tolle Nachricht, ein Hoffnungsstrahl für das Mittelmeer“, sagt Grau der Deutschen Presse-Agentur. Es bedeute nämlich, dass die Haie im Meer vor den Balearen wieder Nahrung finden: Roter Thunfisch, Meeresschildkröten und vielleicht sogar die vom Aussterben stark bedrohte Mittelmeer-Mönchsrobbe.

Man wisse, dass es vor 60 oder 70 Jahren im Wasser um die Balearen „sehr, sehr viele dieser Tiere gegeben“ habe, erläutert Grau. Nach Beginn der Industriefischerei seien sie aber irgendwann völlig verschwunden. Dabei seien Haie „unerlässlich“ für das ökologische Gleichgewicht im Mittelmeer. „Sie verhindern zum Beispiel den Ausbruch von Epidemien“, so Grau. Die Situation sei dank der Fischereigesetze der EU im Mittelmeer - wo über 90 Prozent der Fischbestände als überfischt gelten - besser geworden. Noch gebe es aber leider viel zu tun, um die Wasserfauna früherer Jahrzehnte wiederherzustellen. Für das Halleluja sei es noch zu früh.

Bei López-Mirones herrscht derweil Begeisterung vor - nicht nur wegen des Weißen Hais. „Wir hatten bei unserer letzten Expedition in der Region vor rund drei Jahren schon festgestellt, dass sich die Wasserfauna erholt hatte. Aber was wir diesmal gesehen haben, ist unglaublich. Überall Rochen, rote Thunfische.“