Weltwasserforum eröffnet - WWF sieht neue Konflikte
Paris (dpa) - Mit Warnungen vor drohenden Wasserkrisen hat am Montag das 6. Weltwasserforum im südfranzösischen Marseille begonnen.
Die weltweit steigende Nachfrage nach dem Rohstoff und seine ungleiche Verteilung könnten sich zu ernsthaften Krisen ausweiten, heißt es in einem von der UN-Wissenschaftsorganisation Unesco vorgestellten Bericht. Fast 900 Millionen Menschen auf der Welt haben demnach keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2,6 Milliarden Menschen keinen zu adäquaten sanitären Einrichtungen.
Die Studie wurde zum Auftakt des weltweit größten Expertentreffens zum Thema Wasser in Marseille vorgestellt. Mehr als 20 000 Teilnehmer werden dort noch bis Ende der Woche über den Zugang zu sauberem Wasser, Wasserrechte und den Einsatz moderner Technologien beraten. Das seit 1997 alle drei Jahre tagende Weltwasserforum steht diesmal unter dem Motto „Time for Solutions“ (etwa: Zeit für Lösungsansätze). Zu der Konferenz sind Vorsitzende internationaler Organisationen und auch ranghohe Regierungsvertreter aus mehr als 100 Staaten angereist.
Die UN-Wissenschaftsorganisation Unesco macht vor allem das geänderte Konsumverhalten - insbesondere die steigende Fleischproduktion - für zunehmenden Wasserverbrauch verantwortlich: „Wer Fleisch- und Milchprodukte konsumiert, verbraucht mehr Wasser als Menschen, die sich vor allem von Getreide oder Gemüse ernähren.“ Zur Produktion von einem Kilogramm Reis sind demnach 2500 Liter Wasser nötig, für ein Kilo Rindfleisch 15 000 Liter.
Häufig werde zudem übersehen, dass viele Industriestaaten ihren steigenden Bedarf an Wasser und anderen Ressourcen aus ärmeren Ländern zögen. So importiere beispielsweise Großbritannien 62 Prozent des genutzten Wassers als „virtuelles Wasser“ in Form von Reis oder Fleisch. Die weltweite Landwirtschaft benötige durch die Bewässerung rund 70 Prozent des genutzten Wassers. Der Klimawandel, der Bevölkerungsdruck sowie auch die Verschmutzung und Übernutzung beschränkten weiter den Mangel an sauberem Trinkwasser.
Mehr als eine Million Menschen kämen jährlich durch verunreinigtes Wasser ums Leben, sagte Frankreichs Premierminister François Fillon am Montag zur Eröffnung der Veranstaltung. „Das ist eine nicht hinnehmbare Situation.“ Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Fillon mahnte zugleich die noch zögernden Staaten, eine UN-Wasserkonvention zur friedlichen Nutzung grenzüberschreitender Flüsse und Seen zu unterzeichnen.
Zugenommen hat nach dem UN-Bericht die Bedeutung des Grundwassers: „Die Menge des angezapften Grundwasser hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht“, betont der Hauptautor des Weltwasserberichts, der kanadische Biochemiker Richard Connor, im dpa-Interview. Im 20. Jahrhundert habe es eine regelrechte „stille Revolution“ gegeben beim zunehmenden Anzapfen dieser Ressourcen. Die Autoren des Berichts fordern daher dringend die genauere Erfassung der Reserven - und deren nachhaltigen Nutzung. 80 Prozent des Brauchwassers würden zudem weltweit nicht aufbereitet.
Auch die Umweltstiftung WWF warnte vor einer Zuspitzung der globalen Wasserkrise. Es sei seit der Jahrtausendwende weltweit bereits zu mehr als 50 gewaltsamen Konflikten um die Nutzung von Wasser gekommen, berichtete die Organisation. Sie zählt als Beispiele Konflikte in Staaten wie dem Sudan, Bolivien oder Indien auf. Dabei handelt es sich oft allerdings auch um örtlich begrenzte kommunale Proteste, wie etwa in Südafrika.
Auch die Bundesregierung erwartet von dem Treffen klare Signale. Der Zugang zu Wasser und Sanitäreinrichtungen sei eine der dringendsten, die gesamte Menschheit betreffenden Herausforderungen, kommentierten die Ministerien für Umwelt und für Entwicklung.
„Wir müssen die heutige Zugangskrise überwinden“, forderte die deutsche Delegationsleiterin und Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp (FDP). „Das Weltwasserforum kann jetzt entscheidende Weichen stellen.“ Das vorangegangene Forum 2009 in Istanbul war wegen seiner unverbindlichen Erklärungen heftig kritisiert worden. Aktionsgruppen kritisieren vor allem die Präsenz großer Wasserkonzerne im organisierenden Weltwasserrat. Sie sähen Wasser eher als Ware denn als Menschenrecht.