Weltwirtschaft in Sorge wegen Schweinegrippe
Frankfurt/Main (dpa) - Die Schweinegrippe hat neue Sorgen um die ohnehin schwer angeschlagene Weltwirtschaft ausgelöst. Gerade deuteten erste Anzeichen daraufhin, dass das Schlimmste der Finanz- und Wirtschaftskrise überstanden sein könnte, da schlug am Montag die Nachricht von der Krankheit ein.
„Der Ausbruch der Schweinegrippe hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können“, urteilten die Analysten des Investmenthauses Kepler. Die Börsen in Europa gingen am Montag auf Talfahrt. Besonders betroffen waren Fluggesellschaften und Tourismuskonzerne. Die Nervosität ist groß. „Wir wissen noch nicht, wie schlimm es wirklich ist“, sagte ein Anleger.
An den Börsen wurden sofort dunkle Erinnerungen an den Ausbruch der Lungenkrankheit Sars 2003 in Asien wach. Damals starben rund 800 Menschen. Allerdings gelang es, die Krankheit schon nach vier Monaten einzudämmen. Dennoch waren die Auswirkungen auf die Wirtschaft in der betroffenen Region groß. Das Tourismusgeschäft brach um bis zu 70 Prozent ein, Singapur und Hongkong rutschten in eine Rezession. Im Einzelhandel gab es in den betroffenen Ländern Rückgänge von 15 bis 35 Prozent. Die lokalen Währungen verloren an Wert. Nach Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank kostete Sars die Wirtschaft in der Regionen rund 18 Milliarden US-Dollar.
Im Unterschied zu damals trifft die Schweinegrippe auf eine bereits schwer angeschlagene Wirtschaft. Fluggesellschaften etwa haben wegen des Wirtschaftseinbruchs bereits zahlreiche Maschinen stillgelegt. Allein im Februar war die Zahl der Fluggäste weltweit um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Aktien von Fluggesellschaften wie Lufthansa, Air France-KLM, British Airways und der spanischen Iberia verloren am Montag deutlich. Das Analystenhaus Equinet stufte die Lufthansa umgehend wegen der Schweinegrippe ab.
Der größte deutsche Reiseveranstalter TUI stoppte wegen der Krankheit Reisen nach Mexiko-Stadt. Aktien des Konkurrenten Thomas Cook gaben am Montag ebenso wie die Papiere der französischen Hotel-Kette Accor (Ibis, Mercure) um mehr als vier Prozent nach.
Unter Druck geriet zudem der Ölpreis. „Es wird befürchtet, dass die Ausbreitung der Schweinegrippe den aufkommenden Hoffnungen auf eine Konjunkturbelebung einen herben Schlag versetzen könnte“, schrieb Analyst Eugen Weinberg von der Commerzbank. Er hält diese Befürchtungen allerdings für verfrüht. Als sicheren Hafen werteten Anleger Dollar und Yen, während insbesondere der mexikanische Peso verlor.
Als Profiteure der Krankheit sehen Anleger hingegen die Impfstoffhersteller. Die US-Gesundheitsbehörde CDC stuft die Medikamente Tamiflu vom schweizerischen Pharmaunternehmen Roche und Relenza vom britischen Konzern GlaxoSmithKline etwa als wirksame Stoffe gegen den Schweingerippenerreger H1N1 ein. Roche prüft bereits eine Ausweitung der Tamiflu-Produktion. Allerdings ist unklar, ob das Unternehmen die erwartet hohe Nachfrage erfüllen kann.
Der schweizerische Pharmakonzern Novartis sieht ebenfalls gute Chancen, einen Impfstoff gegen die Schweinegrippe zu entwickeln. „Unsere Forscher sind sehr zuversichtlich; es ist alles nur eine Frage der Zeit“, sagte ein Sprecher am Montag. Der Konzern geht von einer Entwicklungszeit von drei bis sechs Monaten aus.