Wenn Hund und Katze zu dick sind - Besuch in der Abspeck-Sprechstunde

Nicht nur Menschen werden immer dicker, auch bei Haustieren ist der Trend zum Übergewicht alarmierend. Deshalb gibt es eine spezielle Sprechstunde für besorgte Tierbesitzer. Eine Lektion: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Ernährungsberaterin Anna Däuble wiegt Katze Mausi.

Foto: Andreas Gebert

München. Sir Henry weiß schon, was jetzt kommt. Widerstandslos wackelt er durch den Raum, mit seinem runden Leib und dem faltigen Gesicht. Er steigt auf die niedrige Waage und lässt sich dort plumpsen. Auf der digitalen Anzeige erscheint eine Zahl: 9,3 Kilogramm, so viel wiegt der rund zwölf Jahre alte Mops. Zu viel für den kleinen Kerl. Sir Henry hat Übergewicht. Was drollig anzusehen sein mag, ist ein ernstes Problem.

Übergewicht schadet Haustieren genauso wie Menschen. Und immer mehr Hunde, Katzen und Kaninchen sind zu dick. Fast die Hälfte von ihnen hat Übergewicht, schätzt der Bundesverband Praktizierender Tierärzte. Die Tendenz sei steigend.

Nach Angaben des Instituts für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik an der Universität Leipzig werden für die Industrieländer Mitteleuropas mittlerweile rund 40 Prozent der Hunde und Katzen als übergewichtig eingeschätzt. „Man geht davon aus, dass heutzutage von den in Haushalten lebenden Hunden und Katzen circa 20 bis 30 Prozent mehr von Übergewicht betroffen sind als noch vor 50 Jahren“, sagt Cornelia Rückert, Mitarbeiterin am Institut.

Tierärztin Petra Kölle (l) misst Mops Sir Henry von Uschi Ackermann.

Foto: Andreas Gebert

Diese Entwicklung ist gefährlich, denn Übergewicht erhöht das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf- und Gelenkerkrankungen. Katzen, die sich wegen ihres fülligen Körpers nicht mehr putzen können, bekommen häufig Blasenentzündungen. Bis zu zwei Jahre Lebenszeit kann Übergewicht ein Tier kosten.

Die Medizinische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat deshalb eine spezielle Sprechstunde für besorgte Tierbesitzer eingerichtet. Nach eigenen Angaben handelt es sich um Deutschlands erste klinische Sprechstunde zu Fettleibigkeit (Adipositas) von Hunden und Katzen.

Ein Patient ist Sir Henry. Er hatte 2016 schon einmal abgespeckt. Doch dann entdeckte der Zahnarzt einen Tumor in seiner Mundhöhle. Eine langwierige Behandlung begann und Mops-Mama Uschi Ackermann versuchte Sir Henry das Leben mit Leckerli so angenehm wie möglich zu machen. „Dann hat er wieder zugenommen“, erzählt sie heute.

Tierärztin Petra Kölle (l) misst Katze Mausi von Petra K.

Foto: Andreas Gebert

Viele Besitzer meinen es gut mit ihren Vierbeinern. Liebe geht eben durch den Magen. Andere versuchten, mit Leckerli ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil Hund oder Katze nicht genug Auslauf bekommen, erklärt Astrid Behr vom Tierärzteverband. „Alle Tiere brauchen Auslauf, auch Wohnungskatzen“, betont sie. Doch wenn Herrchen oder Frauchen den ganzen Tag arbeiten und erst abends nach Hause kommen, seien sie häufig zu erschöpft, um noch Jagdspiele mit dem Stubentiger zu veranstalten. Der bekomme dann zu fressen - bewege sich aber nicht und verbrauche keine Energie, sagt Behr.

Auslauf bekommt die schwarz-weiße Katze Mausi schon - im Garten von Petra K., die ihren vollständigen Namen nicht veröffentlicht sehen will. Sie lässt sich in der Adipositas-Sprechstunde in München von Tiermedizinerin Petra Kölle Tipps geben, wie Mausi Gewicht verlieren kann. Die Katze sei schon mollig gewesen, als sie noch im Tierheim lebte, sagt K. Als dann 2008 Mausis Schwester starb, habe das Tier getrauert und gejammert. K. wollte ihr helfen und fütterte sie mehr, woraufhin Mausi ruhiger wurde. So geriet der Kreislauf in Gang.

Aktuell bringt die Katze rund 6,7 Kilo auf die Waage. „Unser Ziel ist, dass sie unter fünf Kilo kommt“, sagt Ernährungsexpertin Kölle. Sie berechnet mit Hilfe eines Computerprogramms, wie viele Nährstoffe ein Tier braucht. Dann legt sie mit den Haltern einen Abnehmplan fest. Eine Maßnahme sei, kalorienarmes Futter selbst zu kochen. Eine andere, das gewohnte Futter um die Hälfte zu reduzieren und dann beispielsweise mit Zellulose-Pulver anzureichern, damit es sättigt. Als dritte Möglichkeit kommen Diätfuttermittel infrage - also Light-Produkte. Dabei sei allerdings Vorsicht geboten: Das kalorienarme Futter einer Produktlinie sei nicht zwingend das kalorienärmste Futter auf dem Markt, sagt Kölle.

Im Idealfall legt ein Tier gar nicht erst so viel Gewicht zu, dass es besonderer Näpfe oder Diät-Futters bedarf. Das heißt: standhaft bleiben, auch wenn die Katze den Türrahmen zerkratzt - wohlwissend, was sie damit erreicht - oder der Hund aus großen, treuen Augen aufblickt. „Man sollte das Futter rationieren und darf sich nicht erweichen lassen“, sagt Astrid Behr vom Tierärzteverband. Wenn Tiere gehegt und gepflegt werden, sei das natürlich gut. „Aber das kann leicht ausufern.“ dpa