Widerspruchsverfahren: Ämter, Bürger und ihr Streit

Staatssekretär Manfred Palmen verteidigt die Abschaffung dieses Rechtsschutzes.

Düsseldorf. "Ungerecht", "undemokratisch", "eine Niederlage für den Rechtsschutz", "skandalös" - dies sind nur einige der Bewertungen unserer Leser, nachdem wir über die Erfahrungen ein halbes Jahr nach Abschaffung des Widerspruchsverfahrens berichtet hatten.

Seit November 2007, in Bausachen bereits seit April 2007, kann der Bürger nach einem Bescheid der Behörde keinen Widerspruch mehr einlegen. Er muss direkt vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, verteidigt Manfred Palmen (CDU) das "Bürokratieabbaugesetz II." Palmen war als Staatssekretär im NRW-Innenministerium wesentlich beteiligt an der umstrittenen Reform. Er verweist darauf, dass durch Wegfall des Widerspruchsverfahrens landesweit auf längere Sicht etwa 1000 Stellen im öffentlichen Dienst wegfallen könnten.

Doch es sei nicht nur die in Zeiten knapper Kassen notwendige Einsparung, die den Schritt erforderlich gemacht habe. "Das Widerspruchsverfahren ist ein nicht mehr zeitgemäßes Rechtsinstitut", sagt Palmen. Dieses rühre her aus Zeiten des monarchischen Obrigkeitsstaates, in dem es noch keine Verwaltungsgerichte gab. Mit Einführung gerichtlichen Rechtsschutzes hätte es längst wegfallen können.

Das Widerspruchsverfahren, so Palmen, sei von den Behörden doch vielfach ohne eigenständige inhaltliche Prüfung als "reine lästige Formalie" geführt worden. Die oft beschworene Befriedungsfunktion des Widerspruchsverfahrens - also die Idee, dass der Bürger sich durch einen zweiten behördlichen Bescheid ernstgenommen fühle - habe es so gar nicht gegeben. In den meisten Fällen sei der Ausgangsbescheid von der Widerspruchsbehörde doch bestätigt worden.

Palmen sieht mit der neuen Regelung nun vor allem die Behörden in der Pflicht. Sie müssten den Bürger mit seinem Anliegen viel früher ernst nehmen. Bisher hätten sie oft ihre Bescheide erlassen, ohne vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Nach dem Motto: Diese Möglichkeit hat der Bürger ja noch im Widerspruchsverfahren.

Nun aber, wo dieses weggefallen ist, müssten die Behörden diese Anhörungspflicht schon vor der ersten Entscheidung ernst nehmen. Palmen: "Nichts verärgert den Bürger mehr, als das Gefühl vermittelt zu bekommen, bloßes Objekt einer einseitigen belastenden Verwaltungsentscheidung zu sein, ohne zuvor sein Anliegen vortragen und für seine Argumente werben zu können."

Auch Dieter Kallerhoff, Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Münster, sieht die Verwaltung in der Pflicht. Dass sie dem Bürger auch unmittelbar nach der Entscheidung und vor einer Klage - für die ja die einmonatige Frist unbarmherzig läuft - noch eine Chance zur außergerichtlichen Streitschlichtung gibt. Kallerhoff erwähnt als Beispiel die von der Stadt Düsseldorf eingerichtete "Servicestelle für Rechtsbehelfe", die auf Antrag des Betroffenen eine eigenständige formlose Prüfung des Ausgangsbescheides vornimmt.

Und was ist mit dem Argument der Schwellenangst? Dass der Bürger nichts mit dem Gericht zu tun haben will und auch durch Anwalts- und Gerichtskosten abgeschreckt wird? Daran glaubt Staatssekretär Palmen nicht. Das hätte ja schon vorher in all den Fällen genauso gelten müssen, in denen der Widerspruchsbescheid die Erstentscheidung bestätigte.

Für Palmen ist es auch nur gerecht, dass derjenige, der Rechtsschutz sucht, die Kosten selbst tragen muss, wenn er im Unrecht ist und vor Gericht verliert. Und sie nicht der Allgemeinheit aufbürden kann.

Aber wird nicht die bei den Behörden nun entfallende Arbeit auf die Verwaltungsgerichte abgewälzt, was erste Zahlen zu bestätigen scheinen? Auch das will Palmen jedenfalls jetzt noch nicht bestätigen. Und sollte sich der Arbeitsanfall tatsächlich erhöhen, so sei man haushaltsmäßig gewappnet, die Verwaltungsgerichte gegebenenfalls mit 34 Richterstellen zu verstärken. Aber so weit sei man noch nicht.