Wie der Tagebau die A 61 schluckt

Ein Abschnitt der Autobahn steht bald der Erweiterung von Garzweiler im Wege und muss abgerissen werden. Mit Folgen für die Autofahrer.

Foto: Nikolas Golsch

Rhein-Kreis Neuss. Der Braunkohlentagebau Garzweiler zwischen Erkelenz und Grevenbroich verändert das Gesicht der Region. Das betrifft auch den Verkehr, vor allem die Autobahnen. Die Abbaukante des Tagebaus verschiebt sich immer weiter gen Westen in Richtung Erkelenz und wird in wenigen Monaten an einen Teilabschnitt der A 61 stoßen. Der steht dem Tagebau dann im Wege — und muss abgerissen werden.

Autofahrer werden über Jahre hinweg entsprechende Umwege fahren müssen. Vor allem über die A 46, eine der wichtigsten Verbindungsstrecken von Heinsberg nach Düsseldorf und Wuppertal. „Die A 46 wird entsprechend mehr Verkehr aufnehmen müssen“, sagt Klaus Dahmen vom Landesbetrieb Straßen NRW. Er ist für den Ausbau der Autobahn auf sechs Fahrspuren zwischen den Kreuzen Holz (Jüchen) und Wanlo bei Mönchengladbach verantwortlich. Der hat bereits im Sommer 2014 begonnen und ist aktuell etwa zur Hälfte fertiggestellt.

Am Wochenende wurde das letzte Bauwerk beseitigt, das dem vollständigen Ausbau noch im Wege stand — eine Brücke, die einst in das kleine Dörfchen Holz geführt hat. Das fiel dem Tagebau Anfang des Jahrhunderts zum Opfer, seine Bewohner wurden umgesiedelt. Die Brücke wird nicht mehr benötigt. Zuletzt führte sie quasi direkt in den Tagebau hinein. „Die Brücke ist so schmal, dass dort keine sechs Fahrspuren hindurch gepasst hätten“, sagt Dahmen. Am Wochenende musste die A 46 deswegen zwischen Holz und Wanlo gesperrt werden. Von Freitagabend bis in die Nacht von Sonntag auf Montag dauerte die Sperrung an.

Sechs mit Presslufthämmern versehene Bagger rückten dem rund 25 Meter langen Spannbeton-Bauwerk auf den Putz. Das ging bisweilen reibungslos über die Bühne: „Vollkommen im Zeitplan“, sagte Bauleiter Tobias Prangenberg am frühen Samstagmorgen. Große Teile der Brücke waren zu diesem Zeitpunkt schon herausgebrochen, auf der Fahrbahn war zuvor ein Schutz-Kiesbett aufgeschüttet worden. Darauf fielen Trümmerberge aus Beton und Stahl. Das sah zwar spektakulär aus, war aber für Dahmen und Prangenberg beinahe schon Routine — es war nicht der erste Abriss dieser Art.

Insgesamt drei Brücken mussten auf dem Teilstück der A 46 abgerissen werden. Nun kann der sechsspurige Ausbau weitergehen. „Die Straßenbauer stehen quasi schon in den Startlöchern“, sagt Dahmen. Die Fahrtrichtung Düsseldorf ist zwischen den beiden Kreuzen bereits zu 90 Prozent sechsspurig ausgebaut. Nur der Teilbereich, in dem die alte Brücke stand, fehlt noch. Im März soll auch dieser kleine Abschnitt fertig sein.

Dann beginnen die gleichen Arbeiten auf den entgegengesetzten Fahrstreifen. „Währenddessen wird der gesamte Verkehr auf verengte Spuren in Fahrtrichtung Düsseldorf verlegt“, erläutert Dahmen. Mit dieser Baustelle müssen die Autofahrer bis Ende 2016 leben. Danach soll alles fertig sein. Und eines der größten Autobahn-Bauprojekte in der Region zum Abschluss gebracht sein.

Die Kosten für dieses Mammutprojekt trägt der Energieriese und Betreiber des Tagebaus RWE. Das Geschäft mit der braunen Kohle ist so lukrativ, dass es sich lohnt, Autobahnen dafür abzureißen — und nach wenigen Jahren, wenn die Kohle vollständig abgebaut und das gigantische Loch wieder mit Erde aufgefüllt ist, an gleicher Stelle wieder aufzubauen.

Das geschieht zur Zeit mit der 2005 unterbrochenen A 44 zwischen den Kreuzen Holz und Jackerath im Kreis Düren. Auf einer Trasse, die quer durch den Tagebau führt, wird der Autobahnabschnitt wieder aufgebaut. Und zwar ebenfalls sechsspurig, damit auch dieses Teilstück den Verkehr der dann nicht mehr zur Verfügung stehenden A 61 aufnehmen kann. Diese Arbeiten müssen abgeschlossen sein, wenn die A 61 aller Voraussicht nach im Jahr 2017 oder spätestens 2018 unterbrochen wird, damit es nicht zum Verkehrskollaps kommt. Auch dort liegen die Arbeiten laut Klaus Dahmen aber im Zeitplan: Zusammen mit RWE werden Pläne erarbeitet, wie es mit dem Verkehr in der Region weitergeht. „Hier geht nichts ohne den jeweils anderen“, sagt er. Der Zeitplan im Tagebau müsse genau auf den der Straßenbauer abgestimmt werden - denn der Tagebau schläft nie. Und rückt immer weiter gen Westen, nahezu unaufhaltsam, sagt Projektleiter Dahmen.