Neuinszenierung Wie modern wird Salzburgs neuer „Jedermann“?
Salzburg (dpa) - Selten hat es so viel Neuanfang bei den Salzburger Festspielen gegeben: ein neuer Intendant (Markus Hinterhäuser), eine neue Schauspieldirektorin (Bettina Hering), gleich fünf brandneue Operninszenierungen.
Und dann gibt es mit Tobias Moretti noch einen neuen Jedermann und mit Stefanie Reinsperger eine neue Buhlschaft. Und mit dem gebürtigen Wiener Michael Sturminger, ganz überraschend, sogar noch einen neuen Regisseur für den Festspiel-Dauerbrenner.
„Michael Sturminger ist ein kluger Denker, der in den verschiedensten Musik- und Sprechtheaterformaten gearbeitet hat und sehr zügig auch große Stoffe strukturieren kann“, sagt Hering. „Außerdem ist er erstaunlich angstfrei und hat ein tolles Team an seiner Seite.“ Über die Neukonzeption verrät Hering keine Details, schließlich soll es ja spannend bleiben bis zum Premierenabend am 21. Juli. Festspielintendant Hinterhäuser sagt immerhin: der neue „Jedermann“ werde „definitiv gegenwärtiger“, abseits von „Zeitgeist oder Pseudoaktualität“.
Die letzte Neuinszenierung des „Jedermann“ stammt aus dem Jahre 2013. Julian Crouch und Brian Mertes brachten damals eine charmante Version von Hugo von Hofmannsthals Theaterklassiker über einen rücksichtslosen Lebemann, der im Angesicht des Todes zum Glauben findet, auf die Freiluftbühne vor dem Salzburger Dom. Es war eine Mischung aus Revue, Puppenspiel und Straßentheater. Sehr beliebt bei Publikum wie Touristen war der Einzug der ganzen Truppe vom Festspielhaus zum Domplatz im Stile einer Prozession.
Eigentlich war daran gedacht, diese Inszenierung noch einmal gründlich aufzufrischen, mit einer in vielen wichtigen Positionen erneuerten Besetzung und Tobias Moretti als neuem Jedermann. In Christian Stückls „Jedermann“-Inszenierung von 2002 war Moretti (an der Seite von Peter Simonischek) schon als Jedermanns Guter Gesell und Teufel zu sehen. Jetzt wird er selbst die Hauptrolle verkörpern, der Ritterschlag für den österreichischen Starmimen („Jud Süß - Film ohne Gewissen“, „Kommissar Rex“, „Das finstere Tal“).
Vor wenigen Wochen dann wurde überraschend bekannt, dass es in dieser Saison nun doch eine vollgültige Neuinszenierung geben soll. „Der Grund war, dass wir uns nicht darauf einigen konnten, was der Terminus einer Weiterentwicklung der bestehenden Inszenierung exakt bedeutet“, sagt Hering. Die neuen Schauspieler, sechs Novizen und zwei, die innerhalb des Ensembles andere Rollen übernehmen, bräuchten Platz, um sich zu entwickeln. „Das ist mein Credo“, sagt Hering. In der von Crouch und Mertes vertretenen angelsächsisch-amerikanischen Theatertradition stehe dagegen das Konzept stärker im Vordergrund.
Jetzt stellt sich wieder einmal die spannende Frage: wie modern wird der neue „Jedermann“? „Für mich gibt es da prinzipiell keine Grenzen oder Verbote“, sagt Hering zu der heiklen Frage. „Modern schreckt mich nicht ab. Es muss nur schlüssig und durchdacht sein.“
Den regelmäßigen wiederkehrenden Rummel um die Neubesetzung der Buhlschaft, der Geliebten des Jedermann, sieht Hering, die als erste Frau die Salzburger Theatersparte leitet, gelassen. Für sie ist die Rolle keineswegs die „Inkarnation des Weibchens“, im Gegenteil. Die Buhlschaft sei eine autonome, sehr starke Frau und in gewisser Weise sehr modern. „Sie verbindet sich mit Jedermann aus freien Stücken, und der Jedermann, selbst ein Grenzgänger, schätzt ihre Unabhängigkeit. Das macht die Spannung ihrer Beziehung aus.“
Ob Salzburg ohne „Jedermann“ denkbar wäre, dazu hat Hering eine klare Position: „Definitiv nein, selbst wenn man die ökonomischen Gründe, die ich nicht leugne, hintanstellen würde. Es wäre doch extrem bedauerlich, wenn man die lange Geschichte dieses Schauspiels an diesem Ort nicht fortschreiben würde. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass das Potenzial dieses Stückes noch längst nicht ausgeschöpft ist.“