NRW Wieder „Land unter“ - Versicherung rechnet mit Millionenschaden

Seit Tagen tost es, schüttet es aus Kübeln. Auch am Dienstag wurden Bäche zu Flüssen, Regenfluten setzen Straßen und Keller unter Wasser. Die Schäden liegen in Millionenhöhe - und es beginnt die Debatte, wie den betroffenen Menschen geholfen werden kann.

In Wuppertal schossen in Talsenken Fontänen aus den Kanälen und hoben Gullydeckel aus, zahlreiche Autos standen im teils kniehohen Wasser. Blick auf die Cronenberger Straße.

Foto: Fries, Stefan (fr)

Düsseldorf (dpa). Die jüngsten Unwetter haben im Rheinland nach Schätzungen der Provinzial-Versicherung Schäden von mindestens rund 20 Millionen Euro hinterlassen. Erneute Gewitter am Dienstag sowie die Wetterprognose dürften die Zahlen weiter steigen lassen.

Nach den Tiefs „Elvira“ und „Friederike“ seien alleine bei der Provinzial Rheinland bislang rund 4800 Fälle gemeldet, teilte das Unternehmen am Dienstag in Düsseldorf mit. Besonders betroffen seien der Niederrhein, der Süden von Bonn mit Grafschaft und Wachtberg sowie das Ahrtal in Rheinland-Pfalz gewesen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung prüft deshalb mögliche Hilfen für die betroffenen Menschen. Man müsse sich mit den Kommunen einen Überblick über die Schadenshöhen verschaffen, „um zu sehen, was das Land tun kann“, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach einem Besuch der Niederrhein-Gemeinde Sonsbeck (Kreis Wesel). In Sonsbeck war unter anderem ein Rückhaltebecken übergelaufen und hatte Kellergeschosse anliegender Häuser geflutet.

Wer sich und sein Haus nicht gegen Hochwasserschäden versichert hat, wartet womöglich vergeblich auf finanzielle Hilfe. „Wir können als Land keine privaten Schäden abdecken, denn man kann nicht jeden mit Steuermitteln begünstigen, der keine Versicherung abgeschlossen hat“, erklärte Kraft. Anders verhalte es sich bei Landwirten, die teilweise gar keine Möglichkeit hätten, sich gegen alle Unwetterlagen zu versichern. Hier würden Hilfen geprüft.

Mit massiven Ernteverlusten rechnen Experten derzeit allerdings nicht. Es habe vereinzelt Schäden durch Hagel und Überschwemmungen gegeben, sagten Vertreter von Fachverbänden. „Damit größere Schäden entstehen, müsste das Wasser über Wochen auf den Feldern stehen bleiben“, sagte Natascha Kreuzer von der Landwirtschaftskammer NRW. Dann erst würden Wurzeln nicht mehr ausreichend Sauerstoff erhalten.

Auch am Dienstag meldeten mehrere Städte und Gemeinden nach sehr starkem Regen „Land unter“. Betroffen waren vor allem das Ruhrgebiet und das Münsterland. Vielerorts konnte die Kanalisation den Wassermassen nicht standhalten, Keller liefen voll. Feuerwehr und Polizei mussten zu Dutzenden Einsätzen ausrücken.

In Recklinghausen mussten Feuerwehr und Polizei am späten Nachmittag rund 200 Einsätze abarbeiten. Unterstützung kam aus den Nachbargebieten. Eine Bundesstraße in Marl musste gesperrt werden, nachdem ein Baum umgestürzt war, berichtete eine Kreissprecherin. Auch in Bottrop und im Kreis Mettmann wüteten Unwetter, in Mettmann fielen sie aber nicht so heftig aus. Es stand nur Wasser auf den Straßen.

In Wuppertal schossen in Talsenken Fontänen aus den Kanälen und hoben Gullydeckel aus, zahlreiche Autos standen im teils kniehohen Wasser. Nach Angaben der Polizei trafen Blitze einen Baum auf einen Kindergartenspielplatz und ein Haus. Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt.

Im Raum Essen/Mülheim liefen Keller und Unterführungen voll. Bäume knickten um und Äste fielen auf die Straßen. Auch hier wurden Gullydeckel herausgedrückt. Auch im Kreis Recklinghausen kam viel Regen herunter, ebenso in Gelsenkirchen. Der Notruf ist überlastet. In Essen musste die S-Bahnlinie 6 (Essen - Köln) im Bereich Essen-Stadtwald nach einem Erdrutsch gesperrt werden. In Wuppertal steckte ein Linienbus fest.

„Hier steht in einigen Straßen das Wasser kniehoch“, sagte auch ein Polizeisprecher in Münster. In Duisburg sind Polizei und Feuerwehr im Dauereinsatz. Dort stecken zahlreiche Autos in überfluteten Straßen fest. Auch der Tunnel, an dem sich 2010 das Loveparade-Unglück ereignet hatte, war zeitweise vollgelaufen.

In einigen Städten fielen laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bis zu 100 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. „Das Problem ist, dass die Unwetter nur sehr langsam weiterziehen.“ So sei auch noch in der ersten Nachthälfte mit Gewittern zu rechnen.

Die Unwetterlage hält sich in Nordrhein-Westfalen wie auch in Deutschland seit mehr als einer Woche hartnäckig. Ausmaß und Andauer hatten Experten des DWD bereits als „außergewöhnlich“ bezeichnet.