Windeln für Kutschpferde?
Gut 1,5 Tonnen Mist hinterlassen die 31 Touristen-Gäule in der Hauptstadt jeden Tag. Auch anderswo stinkt es den Anwohnern.
Berlin. Gerümpfte Nasen, ausgekratzte Schuhsohlen und schlingernde Fahrradfahrer sind häufige Szenen am Brandenburger Tor. Dort fahren die Kutschen entlang — und die Pferde äpfeln die Straße voll. Ein Streit ist entbrannt zwischen Stadt, Fuhrunternehmen und Tierschützern um das Berliner Apfelproblem. Auch im beliebten bayerischen Touristenstädtchen Rothenburg ob der Tauber sind die Pferdedroschken mittlerweile unbeliebt.
Während auf dem Land ein Misthaufen zur Idylle gehört, unterliegt der Dung in der Stadt Reinigungsgesetz und Straßenverkehrsordnung — weswegen Kutscher die Hinterlassenschaften ihrer Pferde sofort beseitigen müssen. Doch scheren sich die Bockmänner darum oft nicht. Nun denkt der Berliner Senat über eine Pferdewindel-Pflicht nach.
„Wir hoffen, dass da baldmöglichst was passiert“, sagt Ordnungsamtchef Harald Strehlow. Die Strafen reichen als Abschreckung nicht. Bislang droht den Kutschern eine Verwarnung von 35 Euro oder ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro.
1,5 Tonnen Pferdemist produzieren die 31 Berliner Kutschenpferde jeden Tag, rechnet Mario Schwarz von der Dekra vor. „Das ist eine Gefahr für die Fahrräder, vor allem wenn es anfängt zu regnen, dann ist das glitschig“, sagt er. „Wenn jemand ausweicht und einen Schlenker macht, dann wird’s mit der Verkehrssicherheit auch nicht besser.“
Gegen die geplanten Windeln, in der Kutschenstadt Wien als „Stinksackerl“ und in Salzburg als „Exkrementtaschen“ längst Pflicht, regt sich Widerstand. „Pferde sind Fluchttiere und können in Panik geraten, wenn diese Vorrichtung an die Hinterbeine schlägt“, warnt Wolfgang Apel, Präsident des Tierschutzvereins für Berlin. Aus Sicht der Tiere seien die Kot-Taschen abzulehnen. Die Fuhrbetriebe selbst wollen sich dazu gar nicht erst äußern.
In Dresden beispielsweise sind Kutscher disziplinierter. Sie steigen ab, kehren die Pferdeäpfel zusammen und verstauen sie in einem Säckchen. Doch: Auf den Fahrbahnen im Zentrum wird dabei die Geduld der Autofahrer auf eine harte Probe gestellt.
Seit Jahren richtig verfahren ist die Situation hingegen in dem bayerischen Städtchen Rothenburg ob der Tauber. Wegen Unfällen mit verletzten Fußgängern und zusammengebrochenen Pferden verbot die Verwaltung fast alle Fuhrbetriebe in der Altstadt. Nun dürfen nur noch drei Unternehmen fahren, sagt Michael Sommerkorn, Leiter des Rechtsamtes. Die Kutscher sind erbost. Einer von ihnen möchte nun auf Elektrokutschen setzen. „Dagegen hat die Stadt nichts. Es geht ja nur um die Pferde.“