Wintersturm „Nemo“ legt Nordosten der USA lahm
Washington/New York (dpa) - Wenige Monate nach dem Hurrikan „Sandy“ hat ein mächtiger Blizzard den Nordosten der USA lahmgelegt. Mehr als 650 000 Haushalte und Betriebe waren nach dem Schneesturm „Nemo“ am Wochenende zeitweise ohne Strom - und viele Einwohner bei eisigen Temperaturen auch ohne Heizung.
Mindestens zehn Menschen kostete das gewaltige Unwetter das Leben. Mehr als 6600 Flüge und nahezu alle Zug- und Busverbindungen mussten gestrichen werden. Auf Autobahnen und Straßen ging wegen der wirbelnden Schneemassen zwischenzeitlich gar nichts mehr. Insgesamt verlief der Wintersturm aber glimpflicher als von Meteorologen befürchtet worden war.
Unter den Blizzard-Toten sind ein elfjähriger Junge und ein 20-jähriger Mann - sie starben in Boston an Kohlenmonoxidvergiftungen, weil sie sich in Autos wärmen wollten, deren Auspuffe mit Schnee verstopft waren. Bei Unfällen auf eisglatten Straßen kamen drei Menschen ums Leben. In Danbury in Connecticut rutschte ein Mann auf seiner verschneiten Veranda aus und starb. Im Staat New York verunglückte ein Mann tödlich bei einem Unfall mit seiner Räummaschine. Zwei Menschen starben ebenfalls beim Schneeräumen, ein Mann wurde tot unter einem Schneehaufen vor seinem Haus gefunden.
Der Blizzard hatte am Samstag Geschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde erreicht, bevor er dann auf den Ozean hinauszog. US-Präsident Barack Obama rief für Connecticut den Notstand aus, um Hilfsgelder des Bundes freizugeben. In fünf Nordost-Staaten hatten die örtlichen Behörden zudem den Ausnahmezustand ausgerufen, 5000 Nationalgardisten waren alarmiert, tausende Räumtrupps rückten aus.
Die schlimmsten Vorhersagen trafen am Ende dann aber doch nicht ein. Experten hatten im Vorfeld gewarnt, der Sturm könne historische Ausmaße annehmen, sehr viele Menschenleben kosten und das öffentliche Leben über Tage lahmlegen. Die meisten der 25 Millionen Bürger im Pfad von „Nemo“ können zum Wochenstart zur Normalität zurückkehren.
Versorgungsprobleme gab es am Sonntag allerdings noch in ländlichen Regionen, besonders in Massachusetts, Connecticut und Rhode Island. Dort mussten zuletzt 400 000 Menschen weiter ohne Strom und Heizung in ihren Wohnungen ausharren. In manchen Gegenden türmte sich der Schnee fast einen Meter - viele Orte meldeten neue Schneerekorde. Nationalgardisten mussten Küstenregionen wegen Überschwemmungen räumen. Sturm und Stromausfälle trafen auch Gebiete, die bereits vor drei Monaten vom Hurrikan „Sandy“ teilweise verwüstet worden waren. Damals waren mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen. Hunderttausende waren wochenlang ohne Strom.
Metropolen wie Boston und New York kamen glimpflicher davon. „Wir haben Glück gehabt“, sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg. Sein Kollege aus Boston, Thomas Menino, sah das ähnlich. „Ich bin froh, berichten zu können, dass die Stadt den Sturm bislang gut überstanden hat.“ Die Hauptstadt von Massachusetts erlebte nach Wetteraufzeichnungen den fünftgrößten Schneefall in ihrer Geschichte. Während des Sturms wirkten die Großstädte zeitweise wie verwaist.
Am Samstagnachmittag normalisierte sich das Leben aber weitgehend - und die Sonne zeigte sich. Viele Menschen nutzten die weiße Pracht zum Skifahren und Rodeln. Den Central Park in New York, das in diesem Winter zuvor eher wenig Schnee abgekommen hatte, verwandelten fast 30 Zentimeter Neuschnee in ein Winterparadies. Auch die anderen Parks waren voller Menschen. Mancherorts durften sich die Menschen über kostenlose heiße Schokolade von der Stadt freuen.
Flughäfen und Bahnhöfe gingen wieder in Betrieb, Räumtrupps nahmen Straßen und Autobahnen in Angriff. Schon am Samstag starteten auch in Frankfurt am Main nach Flugausfällen wieder Maschinen in Richtung Osten der Vereinigten Staaten. Auf einigen US-Highways blieb die Lage allerdings auch am Sonntag noch schwierig: Hunderte Autofahrer hatten ihre festgefahrenen Wagen aus Verzweiflung einfach zurückgelassen - und damit die Aufräumarbeiten deutlich erschwert.