Winterwetter: Ganz NRW bibbert in der Eiseskälte

In Kalterherberg, einem Örtchen in der Eifel, besitzen die Bewohner einen ziemlich lässigen Umgang mit Tiefsttemperaturen. Ein Besuch.

Kalterherberg in der Eifel ist ein frostiger Landstrich: Auch am Montag schneite es fast den ganzen Tag lang.

Foto: dpa/Andreas Herrmann (2)

Düsseldorf/Kalterherberg. Der Winter gibt noch einmal richtig Gas. Mindestens bis Donnerstag soll es knackig kalt bleiben. Während Winterliebhaber auf ihre Kosten kommen, bibbern Pendler auf Bahnsteigen, oder Autobatterien machen schlapp. Die arktische Kaltluft aus Nordosteuropa hat Nordrhein-Westfalen weiter fest im Griff. Wir haben uns in Kalterherberg in Monschau umgeschaut — einem Ort, in dem die Bewohner einen ziemlich lässigen Umgang mit Tiefsttemperaturen besitzen.

Foto: dpa/Andreas Herrmann (2)

Marie Kremanns und Manfred Boving haben einen Tagesausflug nach Kalterherberg unternommen. „Ein bisschen verrückt ist das schon“, sagt die Wanderin und grinst. Die beiden sind aus Inden-Altdorf (Kreis Düren) angereist. „Mit so viel Schnee hatten wir allerdings nicht gerechnet“, sagt Boving. Dabei muss man in Kalterherberg mit allem rechnen. Vor allem mit Schnee und Eis.

Kalterherberg ist ein ausgewiesen frostiger Landstrich: Der Legende nach bezog Kaiser Karl der Große im Ort Quartier, um sich dann bitter über die „Kalte Herberge“ zu beklagen. Der Stadtteil von Monschau verdankt einem Teil seiner Bekanntheit einem Laufband. Jeden Abend werden im WDR die Temperatur-Daten aus NRW eingeblendet, Kalterherberg taucht regelmäßig mit Tiefstwerten auf. Für das „Wetter-Marketing“ der Gemeinde ist Karl-Josef Mertens zuständig.

An diesem Vormittag steht der 65-Jährige gut gelaunt in seiner Holzwerkstatt, der Kamin ist angeworfen. „Mucklige 15 Grad“, sagt er gänzlich ironiefrei. Im seinem Garten steht seit 1998 eine Wetterstation, die eine gewisse Popularität erreicht hat. Zudem hat auch der Deutsche Wetterdienst vor vielen Jahren seine Messstationen auf dem großen Grundstück aufgestellt.

Der Originaltext enthielt an dieser Stelle eine Schilderung, dass Jörg Kachelmann durchs Hohe Venn gewandert und dort Jürgen Fliege besucht habe. Herr Kachelmann hat dieser Darstellung widersprochen. Wir ziehen diese Darstellung zurück und bitten um Entschuldigung.

Damals war der andere Wetterfrosch, Jörg Kachelmann, bei einer Wanderung durch das Hohe Venn auch ins Golddorf gekommen. Kachelmann besuchte den fernsehschaffenden Talkshowmoderator Jürgen Fliege, der oberhalb des Tales ein Ferienhaus bewohnte. Kachelmann jedenfalls registrierte, dass es im Tal, am Ostabhang des Hohens Venns, immer kälter wurde. So entstanden zwei Messstationen, eine unterhalb des Ortes, ein Schneeballwurf entfernt auf belgischer Seite in Küchelscheid. Und die andere eben im Mertens Garten, der beide Kachelmann-Stationen ehrenamtlich betreut.

Am Zusammenfluss von Rur und Schwarzbach werden häufig die tiefsten Temperaturen gemessen. Hier plumpst nachts die kalte Vennluft „hinein“, sie kann kaum abfließen, und dass führt zu den „Bibber-Werten“. Mertens musste nicht auf Kachelmann warten, um Bescheid zu wissen. Er und seine Frau Hannelore sind im Ort geboren, und sie werden immer hier bleiben. „Wir genießen die Ruhe und die Natur“, sagt er. Früher jedenfalls war alles viel kälter, sagt er. Mertens kann von Sommernächten erzählen, an deren Ende die Wäsche steifgefroren auf der Leine hing. Oder von einer Kinderkommunion um das Jahr 1953, in dem die Ortsbewohner vorab zur Schneeschaufel greifen mussten. Da bekam der „Weiße Sonntag“ noch eine andere Bedeutung. „Die harten Winter sind vorbei“, sagt er, und kann das auch statistisch belegen.

Immerhin räumt der Rentner ein, dass sich die Kälte beim aktuellen Nordnordost-Wind „dreimal so streng“ anfühle, wie sie sein Thermometer ausweist. Aber von einem „extremen Wetter“ würde er nie sprechen. Mertens grinst immer ein bisschen in sich hinein, wenn er die Kälteklagen der Jüngeren mitbekommt. Der ehemalige Bauhofleiter der Stadt Monschau will keinesfalls pauschal behaupten, dass die heutige Jugend verweichlicht sei, aber „wir kannten damals keine isolierenden Sohlen oder Goretex-Kleidung“, sagt er. Stattdessen wurde ein Backstein im Ofen vorgewärmt und kam im Handtuch umwickelt als Wärmehelfer mit ins Bett.