Winterzeit Am Sonntag wird wieder an der Uhr gedreht

Brüssel. · Die Winterzeit kommt, und somit gibt es am Wochenende wieder eine Stunde mehr Schlaf. Dabei sollte die Umstellung eigentlich schon längst passé sein.

Am Sonntag, 27. Oktober 2019, wird von Sommer auf Winterzeit umgestellt. Dann werden um 3 Uhr in der Früh alle Uhren um eine Stunde zurückgestellt.

Foto: dpa/Oliver Berg

Ursprünglich sollte alles ganz schnell gehen: Im vergangenen Jahr präsentierte die EU-Kommission ihre Pläne zur Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung. Schon im Jahr 2019 sollten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum letzten Mal an der Uhr drehen müssen. Zunächst platzte der angepeilte Zeitplan, nun steht das Projekt gänzlich in den Sternen. Vor allem an einer Stelle hakt es. Ein Überblick der aktuellen Situation:

Was hatte die EU-Kommission vorgeschlagen?

Nach dem Vorstoß von Kommissionschef Jean-Claude Juncker sollte die halbjährliche Umstellung komplett abgeschafft werden. Zum letzten Mal sollte nach den ursprünglichen Plänen die Zeit  in diesem Jahr umgestellt werden. Die Staaten sollten dann selbst wählen können, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit wollen. Die Brüsseler Behörde stützte sich dabei vor allem auf die Ergebnisse einer öffentlichen Befragung.

Aus Sicht des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ist es höchste Zeit für die Abschaffung der Zeitumstellung.

Foto: dpa/Virginia Mayo

4,6 Millionen Menschen in der ganzen Europäischen Union beteiligten sich, 84 Prozent der Befragten sprachen sich dabei für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. Es war die mit Abstand erfolgreichste Befragung, die die Behörde bis dato durchgeführt hatte. Allerdings: Die insgesamt 4,6 Millionen Teilnehmer stellen weniger als ein Prozent der kompletten EU-Bevölkerung dar. Und allein drei Millionen von ihnen kamen aus Deutschland.

Wie ist die Lage im Moment?

In Mitteleuropa gibt es derzeit eine große Zeitzone von Polen bis Spanien. Zu ihr gehören Deutschland und 16 weitere EU-Länder. Einige Staaten – zum Beispiel Griechenland – sind eine Stunde voraus, andere – zum Beispiel Portugal – eine Stunde zurück. Am letzten Sonntag im März und am letzten Sonntag im Oktober wird die Uhr jeweils eine Stunde umgestellt.

Wo ist nun das Problem?

Der Vorschlag der EU-Kommission ist klar, das Europaparlament macht ebenfalls Druck. Die Abgeordneten sprachen sich mit deutlicher Mehrheit für eine Abschaffung der Umstellung im Jahr 2021 aus. Dafür bräuchte es aber auch eine Mehrheit unter den EU-Staaten. Es gebe aber kaum Bewegung, hieß es aus EU-Diplomatenkreisen in Brüssel. Einige Staaten haben noch immer keine Position, bei anderen gibt es Sorgen, dass die Auswirkungen einer Änderung nicht ausreichend analysiert sind.

Der Linken-Europaabgeordnete Helmut Scholz beklagt fehlende Absprachen, die ab dem Moment der Abschaffung zu uneinheitlichen Zeiten in Europa führen würden: „Statt übergreifend europäisch zu denken und für die Bürger*innen wie mit dem Euro eine einheitliche ‚Zeitwährung’ zu ermöglichen, wird in nationalstaatlichen Grenzen gedacht.“

Was sagt die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat sich noch nicht darauf festgelegt, ob sie bei einem Ende der Zeitumstellung für eine dauerhafte Winter- oder Sommerzeit ist. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium  auf Anfrage mit.

Die Bundesregierung habe angesichts des klaren Votums der EU-Bürger den Vorschlag der Europäischen Kommission begrüßt, die Zeitumstellung abzuschaffen, hieß es. „Eine Festlegung, welche Zeitzone in Deutschland nach einer möglichen Abschaffung der Zeitumstellung gelten soll, gibt es aber noch nicht.“ Entscheidend sei, „Zeitinseln und Friktionen im Binnenmarkt“ zu vermeiden.

Wie könnte es nun weitergehen?

Die nächste offizielle Gelegenheit für die EU-Staaten, das Thema abzuschließen, bietet sich beim Treffen der zuständigen Verkehrsminister im Dezember. Die Agenda für das Treffen solle bis Ende November festgezurrt werden, hieß es in Brüssel. Unklar ist allerdings auch, wie die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen (CDU) sich zu dem Thema verhalten wird.

Ihr wahrscheinlicher Starttermin wird nach derzeitigem Stand der Dinge der 1. Dezember sein. Theoretisch könnte die Behörde unter von der Leyen den bestehenden Vorschlag weiterverfolgen, ändern, oder sogar zurückziehen.

Doch was bedeutet die Zeitumstellung eigentlich für den persönlichen Bio-Rhythmus? Ein Faktencheck:
Behauptung: Man braucht Wochen, um sich von der Zeitumstellung zu erholen.

Bewertung: Trifft nur auf manche Menschen zu.

Fakten: Wissenschaftler beschäftigen sich seit Langem mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Uhren-Drehens – vor allem mit der Umstellung auf die Sommerzeit. Bis vor gut zehn Jahren kamen so gut wie alle Studien zu dem Ergebnis: Probleme wie Schlafstörungen seien spätestens innerhalb von ein bis zwei Wochen behoben. In der jüngeren Forschung gibt es jedoch Hinweise, dass sich der biologische Rhythmus bei manchen Menschen etwas langsamer harmonisiert – so eine Meta-Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2016.

Der Zeitsprung unterbricht die Anpassung an die jahreszeitlich bedingten Veränderungen. „Durch die Umstellung wird man gezwungen, das Aufwachen um eine Stunde vor oder nach hinten zu verschieben. Deshalb gerät die Harmonie zwischen dem Äußeren und der inneren Uhr durcheinander“, erklärt Gregor Eichele. Der Leiter der Abteilung Gene und Verhalten am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie beschäftigt sich damit, wie Moleküle den biologischen Rhythmus beeinflussen. Die Stunde Verschiebung werde besonders von den Menschen bemerkt, die einen regelmäßigen Schlafrhythmus hätten, so Eichele. Die innere Uhr des Menschen lässt viele Prozesse in Zyklen von rund 24 Stunden ablaufen – etwa Veränderungen der Körpertemperatur und des Blutdrucks, die Ausschüttung von Hormonen sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Behauptung: Zu wenig Schlaf macht krank.

Bewertung: Stimmt.

Fakten: Wer dauerhaft zu wenig und/oder schlecht schläft, dessen Wohlbefinden und Gesundheit sind gefährdet. Dabei geht es um direkte Auswirkungen und um langfristige Risiken. So leiden zunächst die kognitiven Fähigkeiten: Schon nach wenigen Tagen Schlafmangel sind die meisten Menschen unkonzentrierter, vergesslicher, und sie reagieren messbar langsamer.

Wenn man über einen längeren Zeitraum schlecht schläft, gehe das an die Gesundheit, erklärt Schlafforscher Ingo Fietze von der Berliner Charité. „Die Blutzuckerwerte erhöhen sich, das Diabetesrisiko steigt, und das Immunsystem beginnt zu schwächeln.“ Darüber hinaus zeigen Studien aus verschiedenen Ländern, dass Menschen, die langfristig schlecht schlafen, ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Der Schlafbedarf ist zwar von Mensch zu Mensch verschieden. Doch die Empfehlung der „American Academy of Sleep Medicine“ lautet: Mindestens sieben Stunden Schlaf pro Nacht sollten es bei einem Erwachsenen sein – um Gesundheitsrisiken zu vermeiden.
Behauptung: 
Wer vor dem Schlafengehen lange aufs Smartphone schaut, schläft schlechter ein.

Bewertung: Kann zutreffen.

Fakten: Schuld ist der meist hohe Anteil an blauem Licht, mit dem Bildschirme arbeiten. Das kurzwellige Licht sorgt dafür, dass man wach bleibt: Es bremst die Ausschüttung von Melatonin. Das Hormon regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus. Bei fehlendem Licht wird es aus den körpereigenen Speichern ins Blut abgegeben, und man wird müde. Wer vor dem Schlafengehen aufs Handy schaut, kann außerdem durch die entstehenden Gefühle wach gehalten werden. „Der größte Schlafkiller der jüngeren Geschichte ist allerdings die Entwicklung des elektrischen Lichts“, so Ingo Fietze.