50 Millionen tote Vögel jährlich: Ornithologe fordert Abgabe für Katzenhalter
Radolfzell/Stuttgart (dpa) — Die Jäger kommen auf leisen Pfoten und schlagen blitzschnell zu. Überall liegen sie auf der Lauer - auf Starenkästen, in Futterhäuschen oder im Schmetterlingsflieder.
Katzen sind nach Angaben des Ornithologen (Vogelkundlers) Peter Berthold eine der größten Gefahren für den Erhalt der Artenvielfalt.
Deshalb fordert der langjährige Leiter der Vogelwarte am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee eine „ökologische Ausgleichssteuer“ für Katzenhalter. Natur- und Tierschützer halten eine solche Zwangsabgabe für das falsche Instrument.
„Die Eingriffe von Katzen in die Tierwelt sind substanziell“, sagt der 74-Jährige, der auf eine Anfang des Jahres im Online-Journal „Nature Communications“ veröffentlichte US-Studie verweist. „Sie können in der Lage sein, beträchtliche Populationen ohne weiteres auszurotten. Für das Aussterben von bisher 33 Vogelarten weltweit sind wesentlich Katzen verantwortlich.“
Nach den Untersuchungen der Amerikaner erbeute eine Katze mindestens 40 Vögel im Jahr, dazu etwa 200 kleine Säugetiere sowie „große Mengen an Eidechsen, Schlangen, Amphibien und Insekten wie etwa Schmetterlinge“. Rund acht Millionen der domestizierten Raubtiere leben laut Berthold in Deutschland. „Davon sind zwei Millionen verwilderte Katzen, die sich auch selbst ernähren müssen.“ Jährlich brächten die samtpfotigen Fleischfresser in Deutschland allein 50 Millionen Vögel zur Strecke.
Der Lebensraum vieler Vogelarten sei wegen Monokulturen in der Landwirtschaft inzwischen auf Hausgärten und Parkanlagen beschränkt, erklärt Berthold — also auf das Revier der Katzen. Und deren Jagdtrieb fielen nicht nur häufige Arten zum Opfer: „Manchmal erledigen sie auch einen wunderschönen, rot gefärbten Gimpel oder einen Wendehals, die dann die letzten im ganzen Wohnviertel gewesen sein könnten.“
Eine Steuer für Katzenhalter von etwa 30 Euro jährlich könnte das Problem lösen, glaubt der Vogelforscher: „Damit würde sich die Zahl um mindestens die Hälfte reduzieren.“ Katzen ohne Steuermarke könnten nach Bertholds Plänen kastriert und ins Tierheim gebracht werden.
Der Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg lehnt eine solche Steuer ab. Zwar sei es richtig, dass eine hohe Katzenpopulation negative Effekte auf die Vogelwelt habe, räumt Sprecher Hannes Huber ein. „Für Bodenbrüter wie die Feldlerche kann das schon schwierig sein.“ Trotzdem hält er die Auswirkungen im Naturschutz nicht für gravierend: „Katzen sind Opportunisten, die jagen einfach das, was sie vor die Schnauze kriegen, also die häufigsten Arten.“
Eine Katzensteuer würde das Problem aus seiner Sicht nur verschärfen: „Dann würden die Leute viele Hauskatzen freilassen, so dass es dann mehr wilde Katzen gäbe, die sich dann noch mehr Vögel holen.“ Sinnvoller findet der Naturschutzbund einen Appell an die Katzenhalter, ihre Tiere sterilisieren oder kastrieren zu lassen.
Ähnlich äußert sich der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder: „Aufgrund unserer Erfahrungen mit der Hundesteuer müssen wir befürchten, dass bei Einführung einer Katzensteuer plötzlich viele Tiere ausgesetzt oder in den Tierheimen abgegeben werden, da die Tierhalter die unerwarteten Kosten nicht aufbringen können oder wollen.“ Daher setzten Tierschützer eher auf Kastration.
Eine Sprecherin des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg hält den Vorstoß Bertholds gar für „Panikmache“. Die US-Studie habe methodische Mängel und sei nicht auf Deutschland übertragbar, hieß es in Stuttgart. „Es ist garantiert hier in Deutschland noch nirgends erwiesen, dass Katzen die Singvogelpopulation dezimiert hätten.“