Alzheimers erster Fall: Gen-Analyse nach über 100 Jahren
Gießen (dpa) - Mehr als 100 Jahre nach dem Tod der ersten Alzheimer-Patientin haben Forscher aus Gießen und Sydney den historischen Fall endgültig geklärt. Sie isolierten das Erbgut aus den Hirnschnitten der 1906 gestorbenen Patientin.
Dabei fanden sie eine seltene Gen-Mutation, die zu der Alzheimer-Krankheit führen kann. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „The Lancet Neurology“ veröffentlicht, wie die Universität Gießen am Freitag mitteilte.
Auguste D. war Patienten in der Frankfurter Nervenklinik, in der Alois Alzheimer arbeitete. Nach ihrem Tod im Jahr 1906 analysierte Alzheimer das Gehirn der Frau und entdeckte dabei Ablagerungen, die er für die Krankheit verantwortlich machte. Auf molekularer Ebene konnte der Fall damals nicht analysiert werden - Genanalysen gab es zu Alzheimers Zeiten noch nicht.
Das gelang jetzt Wissenschaftlern des Instituts für Humangenetik der Justus-Liebig-Universität Gießen in Zusammenarbeit mit dem Hirnforschungsinstitut der Universität Sydney in Australien. „Seit Jahren wird spekuliert, ob dem ersten Fall, an dem Alois Alzheimer die Erkrankung beschrieben hat, eine genetische Ursache zugrunde lag“, berichtete der Gießener Humangenetiker Prof. Ulrich Müller.
Die Wissenschaftler suchten in der DNA der von Alzheimer persönlich angefertigten Hirnschnitten nach Mutationen - und fanden eine Veränderung beim sogenannten Gen Präsenilin 1. Sie beeinträchtigt die Funktion eines Enzymkomplexes, was zur Bildung von Ablagerungen führen kann, die für die Alzheimer-Erkrankung typisch sind.
Damit ist der Fall noch weniger typisch als bereits bekannt: Nur in fünf Prozent der Alzheimer-Fälle bricht die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr aus - Auguste D. war in den 50er Jahren, als sie starb. Dass die Mutation in einem einzigen Gen Auslöser der Krankheit ist, ist Müller zufolge in weniger als der Hälfte dieser früh einsetzenden Variante der Fall.