China beginnt langen Marsch zur Raumstation
Peking (dpa) - Mit einem Bilderbuchstart schickte China ein erstes Modul für die Entwicklung einer eigenen Raumstation ins Weltall. Während die USA, Russland und Europa ihre Pläne im Weltraum zurückschrauben, strebt das Reich der Mitte volle Kraft voraus ins All.
Erfolgreich brachte eine Rakete vom Typ „Langer Marsch 2FT1“ am Donnerstag ein Weltraummodul in eine Umlaufbahn. „Tiangong 1“, übersetzt „Himmelspalast“, wird den ersten chinesischen Andockmanövern im All und Tests für die Entwicklung und den Betrieb einer eigenen Raumstation dienen. Mit einem Feuerschweif vor dem dunklen Nachthimmel hob die Rakete vom Raumfahrtzentrum in Jiuquan (Provinz Gansu) in Nordwestchina ab.
„Alles normal“, kommentierte die Flugkontrolle immer wieder den Start. Kameras an der Außenwand dokumentierten jede Flugphase der Rakete live im chinesischen Staatsfernsehen für das Milliardenvolk. Rund 20 Minuten nach dem Start meldete das Raumfahrtzentrum, dass „Tiangong 1“ wie geplant seine Position in rund 350 Kilometer Höhe erreicht habe und die Sonnensegel ausgeklappt worden seien. Der Kommandeur des Raumfahrtprogramms, Chang Wanquan, verkündete unter großem Beifall den „kompletten Erfolg“ des Starts.
„China ist einer permanenten Raumstation einen Schritt näher gekommen“, kommentierte das Staatsfernsehen. Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao, der den Start im Raumfahrtzentrum in Peking verfolgt hatte, gratulierte den Verantwortlichen. Der Start des Raummoduls nur zwei Tage vor dem Nationalfeiertag an diesem Samstag ist ein prestigeträchtiger Schritt für das größte Entwicklungsland der Erde, das zugleich zweitstärkste Wirtschaftsmacht ist.
Anfang November wird das unbemannte Raumschiff „Shenzhou 8“ folgen. Das „Magische Schiff“ soll ferngesteuerte Kopplungsmanöver mit dem Modul üben. Die 8,5 Tonnen schwere, 10,4 Meter lange und 3,35 Meter breite Testplattform soll nächstes Jahr auch von Astronauten angeflogen und als Mini-Raumlabor genutzt werden. Zwei weitere Flüge mit „Shenzhou“-Raumschiffen sind geplant. Erstmals könnte mit „Shenzhou 10“ auch eine Astronautin fliegen.
„Tiangong 1“ besteht aus einem Versorgungsteil und einer Versuchseinheit. In den 15 Kubikmetern Volumen haben drei Astronauten Platz. Zwei Missionen mit weiteren „Tiangong“-Modulen sind geplant, die 2016 ein Raumlabor bilden sollen. Um 2020 soll dann die richtige Raumstation gebaut werden, für die noch ein Name gesucht wird. Mit 60 Tonnen wird sie eher klein ausfallen. Die Internationale Raumstation ISS bringt immerhin rund 400 Tonnen auf die Waage. Da das internationale Projekt bis dahin auslaufen wird, wäre China dann das einzige Land mit einem bemannten Posten im All.
„Chinas größtes Problem ist der Mangel an Erfahrung mit Andockmanövern“, sagte Dean Cheng, Experte der US-Denkfabrik Heritage Foundation, der Nachrichtenagentur dpa. „Es hat noch nie zwei Raumschiffe miteinander verkoppelt. Die Risiken sind enorm.“
China betreibt ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm. Es baut ein Satellitennetz für ein eigenes globales Navigationssystem, hat den Mond im Visier und plant Flüge in die Tiefen des Weltraums. In zwei Jahren ist eine unbemannte Mondlandung geplant. Vorläufige Studien, eines Tages auch Astronauten auf den Erdtrabanten zu bringen, sind in Arbeit. Es gibt aber noch keinen Zeitplan dafür.
Für seine ambitionierten Pläne entwickelt China leistungsstärkere Raketen. „Um eine Raumstation zu bauen, brauchen wir Raketen mit größerer Schubkraft, da jedes Teil der Station rund 20 Tonnen wiegt“, sagte Chefingenieur Jing Muchun der Nachrichtenagentur Xinhua. Auf der südchinesischen Insel Hainan wird ein dritter chinesischer Raumfahrtbahnhof gebaut, auch weil die Nähe zum Äquator für Raumflüge besser geeignet ist. Dort soll 2014 erstmals eine größere Rakete vom Typ „Langer Marsch 5“ starten.
Vor dem Start von „Tiangong 1“ musste das Raketenprogramm den ersten Fehlschlag seit 15 Jahren verkraften. Der ursprünglich für Anfang des Monats geplante Start wurde verschoben, weil am 18. August eine Rakete des ähnlichen Typs 2C aus der Familie „Langer Marsch“ abstürzte. Als Ursache wurden Fehler im Kontrollsystem der Steuerungsraketen ausgemacht. Die 2FT1-Rakete für das Raummodul wurde entsprechend nachgebessert.
Vor dem Andockmanöver mit „Shenzhou 8“ zwei Tage nach dem Start im November wird „Tiangong 1“ in eine Umlaufbahn in 343 Kilometer Höhe gehen. Das Raumschiff soll zwölf Tage angekoppelt bleiben. Vor seiner Rückkehr zur Erde und seiner Landung in der Inneren Mongolei in Nordchina soll noch ein weiteres Andockmanöver geübt werden. „Tiangong 1“ soll nach zwei Jahren kontrolliert ins Meer stürzen.