Darmbakterien spielen Rolle bei schwerer Mangelernährung
Washington (dpa) - Darmbakterien können zu einer schweren Form von Mangelernährung bei Kindern beitragen. Die Untersuchungen zeigen, dass die Zufuhr von Kalorien womöglich allein nicht ausreicht, um manche unterernährte Mädchen und Jungen wieder gesund zu machen.
Die Studie mit 317 Zwillingspaaren aus dem südostafrikanischen Malawi ist im US-Fachjournal „Science“ veröffentlicht. Bei der Erkrankung handelt es sich um Kwashiorkor. Die betroffenen Kinder haben durch Wassereinlagerungen einen aufgeblähten Bauch und leiden an Leber- und Hautschäden sowie an Abmagerung. Die Ursache dafür sei noch nicht endgültig geklärt, schreiben Michelle Smith und Tanya Yatsunenko von der Washington Universität in St. Louis (US-Bundesstaat Missouri).
Das Team beobachtete die Kinder in den ersten drei Lebensjahren und entnahm ihnen regelmäßig Stuhlproben. Besonders konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Zwillingspaare, bei denen ein Kind gut ernährt war, das zweite jedoch an akuter Mangelernährung litt. Das war bei 43 Prozent der Zwillingspaare der Fall. Die Forscher analysierten von insgesamt 22 Paaren die Stuhlproben mit genetischen Verfahren.
Darunter waren auch neun Zwillingspaare, die gut ernährt waren. Bei den Analysen zeigten sich den Autoren zufolge deutliche Unterschiede in der Darm-Mikrobiota, also der Gesamtheit der Mikroorganismen. Zwillingspaare mit einem unterernährten Kind erhielten im Durchschnitt neun Wochen eine spezielle Erdnusspaste, die zur Standardtherapie gehört. Durch die Behandlung ähnelte sich die Zusammensetzung der Mikroben im Darm der Kinder später wieder. Wurde die Gabe dieser Erdnusspaste gestoppt, entstand bei dem kranken Kind jedoch wieder ein Muster wie zuvor.
Um mehr über diese Zusammenhänge zu verstehen, unternahmen die Wissenschaftler Versuche an Mäusen. Sie setzten den Tieren Darmbakterien ein, die von drei Zwillingspaaren stammten. Zwei von drei Mäusegruppen, die von einem Kwashiorkor-Kind Darmflora erhalten hatten, verloren Gewicht - jedoch nur, wenn sie für Malawi typische Nahrungsmittel erhielten. Sie bekamen eine Mischung aus Maismehl, Senfpflanzen, Tomaten und Zwiebeln. Fraßen die Nager normales Mäusefutter, nahmen sie nicht ab. Mit Erdnusspaste als Nahrung nahmen alle Tiere zu. Wurde diese ersetzt, nahmen die „Kwashiorkor-Mäuse“ erneut ab. Die Forscher fanden auch Veränderungen in den Stoffwechselprodukten bei den Tieren.
„Wie vorherige Daten, die die Mikrobiota mit Fettsucht in Zusammenhang bringen, sind diese Ergebnisse bemerkenswert“, kommentiert David Relman von der Stanford University School of Medicine (Bundesstaat Kalifornien) die Studie in einem Begleitartikel. „Sie geben auch Anlass zur Hoffnung.“ Durch ein besseres Verständnis der Zusammenhänge könnten sich Ansätze für neue Strategien ergeben. Doch müssten noch mehr Menschen mit Kwashiorkor und anderen Formen der Unterernährung untersucht werden.
Akute Mangelernährung wird unter anderem anhand des Verhältnisses zwischen Größe und Gewicht festgestellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Standards für die Diagnose von mäßigen und schweren Formen erstellt. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen leben 14 Millionen Menschen in Malawi. Etwa 1,6 Millionen in ländlichen Regionen sind vom Hunger bedroht.