Erbgut-Analyse verrät den Ursprung der Europäer
Tübingen (dpa) - Die meisten der heutigen Europäer stammen von mindestens drei verschiedenen Populationen ab: Von Jägern und Sammlern aus Westeuropa, den ersten europäischen Bauern und von einer Population aus dem Norden Eurasiens, die wiederum eine Verbindung zu den Ureinwohnern Amerikas besitzt.
Dies zeigte der Vergleich des Erbguts ursprünglicher Europäer mit dem heutiger Menschen. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Johannes Krause von der Universität Tübingen stellte dieses Ergebnis im Fachmagazin „Nature“ vor.
Als die Menschen in Europa noch als Jäger und Sammler umherzogen, entstanden im Nahen Osten vor etwa 11 000 Jahren die ersten bäuerlichen Kulturen. Die Menschen begannen, Pflanzen anzubauen und Tiere zu domestizieren, sie wurden sesshaft. Mit der Zeit breitete sich diese bäuerliche Lebensweise nach Westen aus.
In Mitteleuropa vollzog sich der Umbruch vermutlich vor etwa 7500 Jahren. Frühere Untersuchungen haben laut Krause gezeigt, dass das Erbgut der ersten europäischen Bauern sich von dem der europäischen Jäger- und Sammler unterscheidet. Es weise stattdessen mehr Ähnlichkeiten mit dem modernen Menschen aus dem Nahen Osten auf.
Um die Abstammung der heutigen Europäer zu erklären, reichen diese zwei Populationen laut den Forschern jedoch nicht aus. Sie untersuchten nun das Erbgut von insgesamt neun Ur-Europäern: von einer etwa 7000 Jahre alten Bäuerin, deren Überreste in Deutschland gefunden worden waren und von acht etwa 8000 Jahre alten Jägern- und Sammlern aus Luxemburg und Schweden. Dann verglichen sie das Erbgut mit dem von 2345 Menschen aus 203 modernen Populationen weltweit.
Die Auswertung ergab, dass die meisten heutigen Europäer Spuren von drei Populationen in ihrem Erbgut haben. Neben den frühen Bauern und den Jägern- und Sammlern Westeuropas auch Spuren einer Population aus Nordeurasien. Diese verbindet die Europäer genetisch mit den Ureinwohnern Amerikas. „Wir sind noch nicht sicher, wann die nordeurasischen Gene nach Zentral-Europa kamen. Auf alle Fälle später als die ersten Bauern“, erläutert Johannes Krause vom Institut für naturwissenschaftliche Archäologie der Uni Tübingen.
Der Anteil der jeweiligen Vorfahren unterscheide sich zwischen den heutigen Europäern erheblich. „Nordeuropäer tragen mehr Gene der Jäger- und Sammler in sich - Menschen in Litauen bis zu 50 Prozent - und Südeuropäer mehr bäuerliche Ahnenanteile“, erklärt Iosif Lazaridis von der Harvard Medical School in Boston (US-Staat Massachusetts), der auch an der Studie beteiligt war.
Die Untersuchung des Erbguts erlaubt noch weitere Einblicke in das Leben unserer Vorfahren: So fanden die Forscher sowohl bei Jägern und Sammlern als auch bei den ersten Bauern eine hohe Anzahl des Amylase-Gens. Das weist darauf hin, dass sich die Menschen vermutlich bereits an eine stärkereiche Ernährung angepasst hatten. Außerdem hatten die ersten Bauern vermutlich eine hellere Haut als die Jäger und Sammler.