Erste Fluginsekten waren als Gleitflieger unterwegs

Stuttgart (dpa) - Insekten sind die mit Abstand artenreichste Tiergruppe und haben einen großen Vorteil: Die meisten von ihnen können fliegen.

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Bis heute ist jedoch nicht ganz klar, wie und wann sie diese wichtige Fähigkeit erworben haben. Stuttgarter Wissenschaftler fanden nun heraus, dass die ersten Fluginsekten reine Gleitflieger waren. Das Ur-Insekt Carbotriplura kukalovae war demnach vor 309 Millionen Jahren als womöglich erstes Insekt in der Lage, mit verbreiterten Rückenschilden von urzeitlichen Bäumen herabzugleiten, berichteten Arnold Staniczek und Günter Bechly vom Staatlichen Naturkundemuseum Stuttgart.

Das bereits vor 30 Jahren irgendwo in Böhmen gefundene fossile Tierchen habe sich jetzt als Bindeglied zwischen den ungeflügelten Silberfischchen und den Fluginsekten herausgestellt. Zudem habe sich die Theorie bestätigt, dass sich die Flügel der Insekten aus tragflächenähnlichen Rückenplatten entwickelten. Das hatten Stuttgarter Forscher schon 2011 bei ihrer Entdeckung des Chimärenflüglers vermutet. Die Erkenntnisse von Bechly und Staniczek wurden am Dienstag in der Fachzeitschrift „Systematic Entomology“ veröffentlicht.

Vor über 300 Millionen Jahren in böhmischen Sumpfwäldern: Ein rund zehn Zentimeter langes Rieseninsekt springt von einem Baum, oder lässt sich fallen, und gleitet sanft zu Boden. Passiv, denn flattern oder mit Flügeln schlagen kann das Tierchen nicht. Es sieht zwar aus wie ein Silberfischchen, hat aber lange Laufbeine und seitlich verbreiterte Rückenschilde, die es zum Gleitflieger machen.

Erst 1985 taucht das Tierchen wieder auf - von Forschern ausgegraben im Braunkohle-Tagebau als versteinertes Ur-Insekt. Die Wissenschaftler damals ordnen ihren Fund aber den ungeflügelten Silberfischchen oder im Wasser lebenden Larven von Eintagsfliegen zu. Keine Sensation. Das fossile Rieseninsekt gerät in Vergessenheit, Jahrzehnte lagert es in einem tschechischen Provinzmuseum. Bis zunächst Pavel Sroka von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Budweis und dann die Stuttgarter Staniczek und Bechly auf den vergrabenen Schatz aufmerksam werden. Für die Entwicklungsgeschichte der Insekten seien ihre Erkenntnisse wegweisend, betont am Dienstag die Leiterin des Naturkundemuseums Stuttgart, Johanna Eder.