Expedition belegt dramatischen Meereis-Schwund
Bremerhaven (dpa) - Rund um den Nordpol gibt es fast kein mehrere Jahre altes Eis mehr. Das hat die jüngste Arktis-Expedition des Forschungseisbrechers „Polarstern“ gezeigt, der am Donnerstag in seinen Heimathafen Bremerhaven zurückgekehrt ist.
Bei Eisstärkemessungen sei entlang einer rund 2500 Kilometer langen Linie fast ausschließlich einjähriges Eis gefunden worden, sagte der Meeresphysiker Stefan Hendricks. Nach Einschätzung seines Kollegen Rüdiger Gerdes schmilzt das Eis schneller als in den Prognosen zu den Folgen des Klimawandels vorhergesagt. Spätestens bis Mitte dieses Jahrhunderts werde das mehrjährige Eis vollständig verschwunden sein.
Zum dritten Mal in seiner 30-jährigen Geschichte überquerte das Flaggschiff des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung (AWI) den Nordpol. Auf dem Weg sei das Schiff durch so dünnes Eis wie nie zuvor gefahren, sagte Kapitän Stefan Schwarze, der schon bei den Fahrten 1991 und 2001 dabei war. „Damals war es harte Arbeit, sich durchs Eis zu kämpfen. Jetzt konnten wir zügig fahren.“
Bei ihren Eisdickemessungen fanden die Meeresphysiker des AWI überwiegend nur 90 Zentimeter dickes Eis, wie es sich während eines arktischen Winters auf der Meeresoberfläche bildet. Lediglich vor dem Kanadischen Archipel und in der Nähe der nordsibirischen Inselgruppe entdeckten die Forscher nach Angaben von Hendricks noch größere Mengen mehrjährigen Eises, das zwischen zwei und fünf Metern dick ist.
In diesem Sommer hat die Eisschmelze im Arktischen Ozean laut Gerdes die Ausmaße des Rekordminimums von 2007 erreicht. Vor vier Jahren habe sich aber Ende September beispielsweise auf der Laptewsee wieder erstes Eis gebildet, sagte die Leiterin der Expedition durch die Zentralarktis, Prof. Ursula Schauer. „Dieses Mal war von Eisbildung weit und breit nichts zu sehen.“
Bei ihrer insgesamt rund 21 000 Kilometer langen Reise auf der „Polarstern“ versuchten die Wissenschaftler auch, die Konsequenzen der Eisschmelze zu ergründen. Bis zur vollständigen Auswertung der Daten könnten aber noch Monate und Jahre vergehen, hieß es. Erste Ergebnisse zeigten beispielsweise ein vermehrtes Algenwachstum im atlantischen Teil der Arktis als Folge von mehr Lichtzufuhr und einem höheren Süßwasseranteil.