Forscher lösen Hornhecht-Rätsel um blau-grüne Gräten
Stralsund/Hannover (dpa) - Alte Fischer erzählen, Gott habe etwas zu viel getrunken, als er die Hornhechte erschuf. Anders - so die Legende - lasse sich die ungewöhnliche blau-grüne Färbung der Gräten nicht erklären.
Augenzwinkernd machen Fischer wie Bernd Schütze aus dem vorpommerschen Stahlbrode heute noch jeden Erstkäufer auf die Besonderheit der Hornhechte aufmerksam - auch um Beschwerden vorzubeugen. „Die Gräten sind blau-grün, damit Sie die beim Essen besser sehen können.“
Schütze, seit 1968 als Fischer auf dem Strelasund und dem Greifswalder Bodden unterwegs, muss diesen Satz derzeit sehr oft sagen. In den Boddengewässern um die Ostseeinseln Rügen und Usedom hat die Hornhecht-Saison begonnen. Der auch unter den Namen „Maifisch“ oder „Hornfisch“ bekannte Meeresbewohner (Belone belone) mit seinem markanten spitzen Maul gilt wegen seines weißen Fleisches als saisonale Delikatesse.
Die Legenden um die extravagante Färbung der Gräten haben allerdings ausgedient, und auch Fischer Schütze kann seine Kunden mit harten Fakten beeindrucken: Denn Lebensmittelchemiker der Tierärztlichen Hochschule Hannover haben das Rätsel um die blau-grüne Färbung der Gräten bei Hornhechten und Aalmuttern gelöst. Als Verursacher machte das Team um Professor Waldemar Ternes das Farbpigment Biliverdin, ein grünes Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin, aus. Weltweit haben nur ganz wenige Fische blau-grüne Gräten, neben dem in Ostsee, Nordsee und Mittelmeer beheimateten Hornhecht auch einige Thunfischarten.
Normalerweise entsteht nach Angaben der Tierärztlichen Hochschule Hannover beim Abbau des Blutfarbstoffes zunächst Biliverdin, das dann zu Bilirubin abgebaut wird - ein Prozess, den Menschen bei einem blauen Fleck beobachten.
Es gab schon länger den Verdacht, dass das Farbpigment Biliverdin, das auch die Eier des Großvogels Emu grün färbt, für die grünen Gräten bei Hornhecht und Aalmutter sorgt. Doch mit Hilfe von massenspektroskopischen Untersuchungen gelang es den Forschern nun erstmals, das Farbpigment in Proben dieser Fischarten nachzuweisen. Die Ergebnisse ihrer Tests veröffentlichte Ternes in der Fachzeitschrift „European Food Research and Technology“ online.
„Das Biliverdin lagert sich im Bindegewebe dieser Fischarten an - allerdings hauptsächlich in der Knochenhaut und den Dornfortsätzen“, sagte Ternes. Während das Biliverdin im Muskelfleisch des Hornhechtes nach Auskunft von Thernes nicht nachweisbar war, beträgt die Konzentration in der Knochenhaut durchschnittlich 62 Mikrogramm je Gramm. Grund dafür sei offenbar die Neigung von Biliverdin, sich im Eiweiß Kollagen einzulagern, das im Bindegewebe an Knochenhaut und Dornfortsätzen der Wirbelsäule eine besonders hohe Konzentration aufweise. Warum andere Fischarten mit hohem Kollagengehalt keine grünen Gräten haben, hat das Forscherteam noch nicht untersucht.
Zugleich räumten die Chemiker mit einer zweiten konkurrierenden These auf, der zufolge das Mineral Vivianit, ein Eisenphosphat, für die Färbung der Hornhecht-Knochenhaut verantwortlich ist. Die Konzentration von Eisen sei zwar im Vergleich zu anderen Fischarten in den Gräten etwas erhöht, reiche aber nicht aus, um eine Färbung auszulösen, betonte Ternes. Fest steht: Der für die Grünfärbung verantwortliche Farbstoff Biliverdin ist ungiftig. Hornfische können also weiter unbedenklich auf den saisonalen Speisekarten in den Restaurants an den Küsten stehen.