Gentest bei Brustkrebs soll Chemotherapien vermeiden
Mönchengladbach (dpa) - Eine Chemotherapie belastet Körper und Seele. Viele Brustkrebs-Patientinnen brauchen aber eigentlich keine solche Behandlung. Ein neuer umfassender Gentest am Tumorgewebe berechnet, wie hoch das Rückfallrisiko ist.
Zwölf Brustzentren im Rheinland und in Hamburg bieten erkrankten Frauen in einem Pilotprojekt den US-Test Oncotype DX zur Bestimmung des Rückfallrisikos an. Damit kann bestimmt werden, ob nach der Tumorentfernung eine Chemotherapie notwendig ist.
Der Test sei „Neuland“ in Deutschland, sagte die Leiterin des Brustzentrums Niederrhein, Professorin Ulrike Nitz, am Dienstag in Mönchengladbach. In den medizinischen Leitlinien werde bisher nur empfohlen, ihn innerhalb von Studien anzuwenden. Eine Analyse der Westdeutschen Studiengruppe (WSG) soll in etwa drei bis vier Jahren belastbare Erkenntnisse zur Effektivität des Verfahrens bringen. Die Kosten für den Test in Höhe von 3000 Euro übernimmt bislang die AOK Rheinland/Hamburg für ihre Versicherten.
Im Gegensatz zu dem seit Jahren in Deutschland geläufigen uPA/PAI-1-Eiweiß-Test könne Oncotype DX Informationen zu mehreren Genen liefern, die für Brustkrebs verantwortlich seien, sagte der wissenschaftliche Koordinator der WSG, Oleg Gluz. Außerdem könne er auch eingesetzt werden, wenn Lymphknoten befallen seien. Ziel sei, den Anteil der Patientinnen, die auf eine Chemotherapie verzichten könnten, von 20 Prozent auf 50 Prozent zu steigern.
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Jedes Jahr sterben nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland etwa 18 000 Frauen an dieser Krebsart, 57 000 Frauen erkranken neu daran. Die Angst vor der Chemotherapie „sitzt in jedem Kopf“, sagte Nitz. Zwei Drittel der mit einer Chemotherapie behandelten Frauen brauchten diese aufgrund eines geringen oder mittleren Rückfallrisikos aber gar nicht.
Kritik kam von einem Brustkrebs-Experten aus Berlin. Oncotype DX werde im Gegensatz zu dem nur rund 100 Euro teuren uPA/PAI-1-Test nicht in den maßgeblichen deutschen Leitlinien empfohlen, betonte Professor Michael Untch, Leiter des Brustzentrums am Helios-Klinikum Berlin-Buch. „Es gibt keine Evidenz, dass dieser Test prospektiv eingesetzt den Patientinnen eine Chemotherapie ersparen kann.“ Die Region Nordrhein verfolge eine „Insellösung“.
Der seit 2004 angebotene Oncotype DX-Test der US-Firma Genomic Health werde binnen fünf Tagen zentral in den USA ausgewertet, erläuterte Nitz. Eingeschickt werden könne konserviertes Tumorgematerial, Frischgewebe wie beim uPA/PAI-1-Test sei nicht notwendig. Die beiden Testverfahren sind nach Angaben der WSG völlig unterschiedlich. Während beim uPA/PAI-1-Test der Anteil von zwei Eiweißen bestimmt wird, die wichtige Indikatoren für Brustkrebs sind, untersucht Oncotype DX die Aktivität von 16 Brustkrebs-Genen und 5 Referenzgenen und berechnet daraus das Rückfallrisiko.
Mit der Ethikkommission in Köln sei ein Jahr lang eine Diskussion über das zweistufige Diagnose-Verfahren, das drei Wochen dauere, geführt worden, sagte Nitz. An der WSG-Studie sollen zunächst 400 Patientinnen aus dem Rheinland und Hamburg und später bundesweit rund 4000 Patientinnen aus bis zu 80 Brustzentren beteiligt werden. Sie sei bis zum Jahr 2015 geplant. In den USA wurde Oncotype DX laut WSG bereits an rund 12 000 Patientinnen erprobt. Die Ergebnisse der US-Studie sollen 2015 veröffentlicht werden.