Gerst: Man verliert Dinge in der Schwerelosigkeit
Köln (dpa) - Wenn der Stift weg ist, dann blickt Alexander Gerst erstmal zu Boden, um ihn zu suchen. „Das ist tatsächlich mein erster Impuls, auf den Boden zu schauen“. Dann fällt ihm aber ein, dass er in der Schwerelosigkeit des Weltraums lebt, an Bord der Internationalen Raumstation ISS.
„Der Stift schwebt irgendwo im Dreidimensionalen rum. Man verliert einfach Dinge, das ist mir schon gleich am Anfang aufgefallen“, sagt Gerst bei seiner ersten Live-Pressekonferenz von Bord der ISS am Donnerstag. Vor einer Woche ist er mit Hilfe einer russischen Sojus-Kapsel bei der Station angekommen. Vor Kamera und Mikrofon gibt er sich entspannt und gut gelaunt.
Mit der Schwerelosigkeit kommt er inzwischen auch nachts klar. In den ersten beiden Nächten sei er mehrfach aufgewacht. „Man hat keinen Kontakt zum Kopfkissen, zum Bett. Da muss man sich erst dran gewöhnen.“ Seit drei/vier Tagen schlafe er aber gut. „So wie auf der Erde.“ Er habe auch ein paar Träume gehabt. „Einer war ziemlich gut, ich wollte mich dran erinnern, habe ihn aber leider wieder vergessen.“
Gefragt, ob er denn nach einer Woche im All schon etwas vermisse, sagt Gerst: „Das erste, was ich wirklich vermisse, ist natürlich meine Familie.“ Bis zum Start sei alles ziemlich hektisch gewesen, und er habe sich voll auf das Projekt konzentriert. Aber jetzt, wo sich eine gewisse Routine einstelle, könne man auch wieder über andere Sachen nachdenken. Da sei ihm erstmals klar geworden, dass ein halbes Jahr doch ein ganz schön langes Stück ist.
Aber es gebe gute Kommunikationsmöglichkeiten etwa per E-Mail, und einmal in der Woche gebe es eine Videokonferenz. „Man fühlt sich nicht weit weg aber auch nicht wirklich komplett nah dran.“ Bis jetzt sei alles noch neu und aufregend und im Moment noch eine tolle Sache. „Ich bin mir sicher, wie ich von meinen Kollegen höre, das hält auch ein halbes Jahr an.“
Die Tage sind angefüllt mit Fitnesstraining und Experimenten. Gerst hat sich selbst Blut abgenommen für Versuche zum menschlichen Immunsystem. Zudem wurden Ultraschalluntersuchungen gemacht. Im Labor werden Pflanzen gezüchtet, die auch in Zeiten des Klimawandels bei zunehmender Trockenheit gut gedeihen sollen.
Der Zwölf-Stunden-Tag an Bord gehe schnell vorbei. Vor allem wenn man neu ist und immer wieder Neues lerne. „Wie die Amerikaner sagen: Das ist, als wenn man aus dem Feuerwehrschlauch trinkt. Das ist tatsächlich so.“