Kein Zusammenbruch auf Osterinsel vor Ankunft der Europäer

Richmond (dpa) - Auf der Osterinsel im Pazifik hat es Forschern zufolge keinen gesellschaftlichen Zusammenbruch vor Ankunft der Europäer gegeben.

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Ein Team um Christopher Stevenson von der Virginia Commonwealth University in Richmond (Virgina/USA) fand zwar Hinweise darauf, dass die Landnutzung und damit die Nahrungsmittelproduktion an einigen Orten auf der Insel vor und um das Jahr 1700 stark zurückging. Dies könne aber auf geringe Niederschlagsmengen und schlechte Bodenqualität an diesen Stellen zurückgeführt werden, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Die am Ostersonntag 1722 von Niederländern entdeckte Insel ist einer der am weitesten vom Festland entfernten Orte der Welt. Die Osterinsel, auch Rapa Nui genannt, war Jahrhunderte zuvor von Polynesien aus besiedelt worden. Sie ist berühmt für die Hunderte riesiger Steinstatuen, die Moai, und gehört seit 1995 zum Weltkulturerbe.

Die Geschichte der Insel vor der Entdeckung durch die Europäer ist umstritten. Nach einer bekannten Theorie ereignete sich ein gesellschaftlicher Zusammenbruch infolge von Überbevölkerung und Abholzung der Insel. Diese Sicht hat besonders der US-amerikanische Anthropologe Jared Diamond populär gemacht. Andere Forscher sehen als Grund für den starken Bevölkerungsrückgang auf der Osterinsel erst die von Europäern eingeschleppte Krankheiten an wie Pocken, Syphilis und Tuberkulose.

Stevenson und Kollegen untersuchten die Landnutzung an verschiedenen Orten auf der Insel anhand des Vulkangesteins Obsidian. Dieses glasartige Mineral wurde von den Einwohnern der Osterinsel auf vielfältige Weise im täglichen Leben genutzt. Die Flächen des bearbeiteten Obsidians verbinden sich umso stärker mit Wasser (Hydration), je länger sie der Witterung ausgesetzt sind. Diesen Umstand nutzten die Forscher, um die Herstellung der Obsidianartefakte zu datieren. Aus der Häufigkeit der jeweils auf einem Areal von 500 mal 500 Metern gefundenen bearbeiteten Steine errechneten sie ein Nutzungsprofil dieses Areals über die Jahrhunderte hinweg.

Eines der Areale liegt im Regenschatten des mit 505 Metern höchsten Bergs der Insel, Mount Terevaka. Es wurde den Ergebnissen zufolge bis etwa 1660 intensiv genutzt. Bei der Ankunft der Europäer 1722 war die Intensität der Nutzung auf die Hälfte zurückgegangen und sank dann langsam weiter bis 1900. Ein anderes Gebiet ist zwar sehr regenreich, hat aber einen stark ausgelaugten Boden. Die Spuren der Nutzung gehen nach 1710 deutlich zurück.

Ein dritter Ort, mehr als vier Kilometer von einer Küste entfernt gelegen, wurde über die Jahrhunderte hinweg mehr oder weniger intensiv genutzt. An dieser Stelle gibt es reichlich Regen und eine gute Bodenqualität.

Aus ihren Ergebnissen folgern Stevenson und Kollegen, dass Regen- und Bodenverhältnisse entscheidend für die Landnutzung gewesen seien, und nicht die Größe der Bevölkerung. So sei es möglich, dass eine verminderte Landnutzung vor Ankunft der Europäer zur Nahrungsmittelreduktion und zu Konflikten geführt habe, die Studie belege aber keinen inselweiten Kollaps der Bevölkerung. „Diese Analyse zeigt, dass das Konzept eines Zusammenbruchs eine irreführende Charakterisierung der prähistorischen menschlichen Bevölkerungsentwicklung ist“, fassen die Forscher ihre Ergebnisse zusammen.