Kolumbus-Schiff „Santa María“ entdeckt?
Port-au-Prince (dpa) - Der angebliche Fund von Christoph Kolumbus' Flaggschiff „Santa María“ hat international Streit unter Forschern entfacht.
Der amerikanische Meeresarchäologe Barry Clifford will Überreste des legendären Schiffs gefunden haben, mit dem der berühmte Entdecker im Jahr 1492 zu seiner ersten großen Expedition aufgebrochen war. Spanische Wissenschaftler dagegen zeigen sich skeptisch und zweifeln die Echtheit des Fundes an.
Die Fundstelle liegt an einem Riff vor der nördlichen Küste Haitis. Ein Forscherteam um Clifford hatte dort bereits 2003 Überreste des Schiffswracks entdeckt. Damals sei auch eine Bordkanone gesichtet worden, Archäologen hätten diese aber falsch bewertet, sagte Clifford der spanischen Zeitung „El Mundo“. „Als wir kürzlich nach Haiti zurückkehrten, mussten wir feststellen, dass in der Zwischenzeit jemand die Kanone gestohlen hat, die wir vor elf Jahren fotografiert hatten. Aber wir haben das Bild als Beweis, dass die Kanone sich dort befunden hatte.“
Der Unterwasserforscher war vor wenigen Wochen mit einem Expertenteam erneut zu dem Fundort ausgerückt. Er machte neue Vermessungen und verglich Bilder von der ersten Untersuchung mit Aufnahmen von heute. „Jedes einzelne Stück passt“, sagte Clifford dem TV-Sender CNN. „Jetzt müssen wir natürlich erst einmal durch den ganzen archäologischen Prozess gehen.“ Er sei aber sicher, dass es sich um die Stelle handele, an der die „Santa María“ auf Grund gelaufen war.
Gestützt wird Clifford, der sich mit der Suche nach Piratenschiffen einen Namen gemacht hat, durch Charles Beeker von der Universität Indiana. Die Beweise seien „sehr überzeugend“, sagte der Archäologe aus Cliffords Team der britischen Zeitung „The Independent“.
Spanische Medien meldeten indes Zweifel an dem angeblichen Sensationsfund an. Die Zeitung „ABC“ wies unter Berufung auf spanische Archäologen darauf hin, dass nur aufgrund von Aufnahmen und Messungen die gefundenen Überreste nicht eindeutig identifiziert werden könnten. Nach dem Untergang des Schiffes sei das Holz, wie Kolumbus in seinem Tagebuch geschrieben habe, zum Bau einer Festung verwandt worden. „Von dem Schiff blieb kaum ein Nagel übrig“, betonte der Archäologe Carlos León, der selbst lange Zeit in der Gegend geforscht hat. Bei dem Fund handele es sich in Wirklichkeit nur um einen Haufen von Ballaststeinen.
Der Meereswissenschaftler Miguel Aragón, Chef der Abteilung für versunkene Meeresschätze bei der spanischen Marine, wies laut der Online-Ausgabe von „El País“ darauf hin, dass nach geologischen Studien die Küstenlinie sich vorgeschoben habe und an der Stelle, an der die „Santa María“ vor mehr als 500 Jahren verunglückt war, jetzt Festland sei. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Fund um Reste des Schiffes handelt“, sagte der Experte. „El País“ betonte zudem, in der Karibik seien Hunderte spanische Schiffe gesunken, eine Verwechslung sei daher wahrscheinlich.
Mit der Regierung Haitis will Clifford nun die nächsten Schritte beraten. Sollte es sich tatsächlich um die „Santa María“ handeln, wäre dies einer der wichtigsten archäologischen Unterwasserfunde der Geschichte.
Kolumbus war am 3. August 1492 vom spanischen Hafen Palos de la Frontera mit drei Schiffen zu seiner ersten Entdeckungsreise aufgebrochen. Das Flaggschiff „Santa María“ lief am 25. Dezember 1492 vor dem heutigen Haiti auf Grund. Es wurde so stark beschädigt, dass es nicht mehr seetüchtig war.