Kosmisches Recycling liefert Rohmaterial für Sterne
Heidelberg/Garching (dpa) - Viele Galaxien versorgen sich über eine Art kosmisches Recycling mit dem Rohmaterial für Sterne. Das belegt die Untersuchung hundert großer Galaxien durch Forscher um Kate Rubin vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Die Sterninseln schleudern demnach große Mengen Gas ins All, von dem ein erheblicher Teil wieder auf die Galaxien zurückfällt. Diese „galaktischen Fontänen“ könnten die scheinbare Rohstoffarmut in vielen Galaxien erklären, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „The Astrophysical Journal Letters“. Denn allein mit dem in den Galaxien selbst verfügbaren Gas ließe sich die aktuell beobachtete Sternproduktionsrate nicht lange aufrechterhalten.
Große Galaxien wie unsere Milchstraße produzieren etwa eine Sonne pro Jahr. Das in diesen Galaxien typischerweise nachgewiesenen Gas wäre damit allerdings bereits in ein paar Milliarden Jahren erschöpft. Der Kosmos ist jedoch schon über 13 Milliarden Jahre alt. Das erlaubt zwei Möglichkeiten: Entweder befinden wir uns gerade in einer Phase besonders intensiver Sternproduktion. Oder die Galaxien können eine andere Quelle für Rohmaterial anzapfen.
Viele Galaxien schleudern etwa durch Supernova-Explosionen große Mengen Gas ins All hinaus. Unklar war bisher, ob dieses Material für die Galaxie in der Regel verloren ist, oder ob es wie eine Fontäne wieder auf sie zurückfällt. Zwar hatten Astronomen bei kleineren Galaxien unserer kosmischen Nachbarschaft bereits einen Gas-Rückstrom beobachtet. Bei weiter entfernten großen Galaxien, die erheblich schnellere Gasauswürfe produzieren, war das aber noch nicht nachgewiesen worden.
Die Forscher um Rubin nahmen daher hundert große Galaxien mit Entfernungen zwischen fünf und acht Milliarden Lichtjahren ins Visier des Keck-I-Teleskops auf Hawaii. Bei sechs davon entdeckten sie sogenannte galaktische Fontänen. Da der Nachweis von verschiedenen zufälligen Beobachtungsparametern wie der Orientierung der Galaxie abhängt, gehen die Astronomen davon aus, dass bei einem erheblich höheren Anteil dieser Sternenansammlungen herausgeschleudertes Gas wieder zurückfällt und damit zusätzlich für die Sternproduktion zur Verfügung steht. Dies könne bei bis zu 40 Prozent der Galaxien der Fall sein.
In einer weiteren Studie haben Forscher an der Europäischen Südsternwarte (Eso) die Essgewohnheiten jugendlicher Galaxien aufgeklärt. Die Galaxien im jungen Universum, vor der von Rubins Team untersuchten Zeit, wuchsen demnach hauptsächlich durch das Einsaugen von intergalaktischem Gas. Das schließen Astronomen um Thierry Contini vom astrophysikalischen Forschungsinstitut IRAP im französischen Toulouse aus einer der größten Durchmusterungen rund neun bis elf Milliarden Lichtjahre entfernter Galaxien.
Später in der Geschichte des Kosmos vergrößerten sich die Galaxien demnach vor allem durch eine Art kosmischen Kannibalismus: Sie verschluckten kleinere Geschwister. Die Untersuchung mit dem Very Large Telescope (VLT) der Eso in Chile, die in mehreren Teilen im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ erscheinen soll, habe einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Wachstums junger Galaxien geleistet, betonte die Eso in einer Mitteilung.