Mückenatlas: Forscher erbitten Briefe mit Mücke drin
Potsdam/Berlin (dpa) - Fangen, einfrieren, abschicken: Im Dienst der Wissenschaft rufen Forscher in Deutschland zur großen Mückenjagd auf. Denn was besonders in nassen Sommern in Heerscharen herumsurrt und zusticht, ist nicht nur ein lästiges Übel auf Badewiesen oder beim Grillabend.
Es ist ein Forschungsobjekt: Stechmücke sei für Wissenschaftler nicht gleich Stechmücke, sagt Ina Pokorny vom Naturkundemuseum Potsdam. Um neue Arten in Deutschland aufzuspüren und zu bestimmen, wollen Forscher einen bundesweiten „Mückenatlas“ zusammentragen. Fundstellen und Arten werden dabei auch online in eine Deutschlandkarte eingetragen. Denn im Zuge des Klimawandels überleben inzwischen auch Arten aus dem Mittelmeerraum in unseren Breiten.
Wer zum „Mückenatlas“ beitragen will, muss nur einige Regeln beachten: „Wir benötigen ausschließlich Stechmücken. Sie sollten nicht zerquetscht, sondern möglichst unversehrt gefangen werden“, sagt Pokorny. Durch die Schuppen oder Borsten könnten Forscher die Arten genau identifizieren. Mücken blieben unversehrt, wenn sie zunächst in einem großen Einmachglas gefangen werden. „Wenn man das Glas dann eine Weile in den Kühlschrank stellt, kann man die Mücken hinterher leicht in ein kleineres Gefäß befördern“, sagt Pokorny. Um das Tier endgültig zu töten, reiche eine Nacht im Gefrierfach.
Danach können sich Mückenjäger ein Mücken-Formular aus dem Internet ausdrucken, ausfüllen und ihren Fund losschicken - adressiert an das Brandenburger Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Eberswalder Straße 84, 15374 Müncheberg). Portokosten können die Wissenschaftler leider nicht erstatten. Sie bieten aber jedem Mückenjäger einen Service an: Wer im Formular eine E-Mail-Adresse angibt, bekommt die Art mitgeteilt, die er „erlegt“ hat.
Für Mückenfänger in Potsdam und der näheren Umgebung gibt es einen Extra-Service. Sie können ihre Beute auch lebendig bei Pokorny im Naturkundemuseum abgeben - zum Beispiel im Einmachglas. Lebende Mücken werden in Potsdam bei minus 80 Grad eingefroren. Unter diesen Bedingungen können Forscher am Robert Koch-Institut das Tier später zusätzlich auch auf mögliche Viren oder Würmer untersuchen. „Wir brauchen außerdem möglichst detaillierte Informationen zur Fundstelle“, sagt Pokorny, „Am besten sollte man den Stadtteil und den genauen Ort angeben - Keller oder Garten beispielsweise.“
Bei dem Projekt könnten auch seltene oder bislang unentdeckte Mückenarten aufgespürt werden. 3500 Arten sind bislang weltweit bekannt, 49 davon in Deutschland. Wie kommen sie hierher? „Insbesondere beim Transport von Waren werden manchmal versehentlich Mücken oder deren Larven importiert“, sagt Julian Heiermann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Einzelne Insekten könnten auch in Passagierflugzeugen nach Deutschland gelangen.
Grund zur Beunruhigung gibt es allerdings nicht: Bisher wurden keine Fälle von Krankheiten diagnostiziert, die in Deutschland durch Stechmücken auf den Menschen übertragen wurden, heißt es in der Projektbeschreibung der Wissenschaftler - auch keine Malaria. Heftig jucken können Mückenstiche aber - egal, welche Art der Blutsauger nun zusticht. Oberstes Gebot: nicht kratzen. Erst dadurch kann es zu bakteriellen Infektionen kommen, die sich zu Entzündungen entwickeln können.