Planet Mensch: Forscher erkunden die Mikroben-Vielfalt
London/Washington (dpa) - Für Mikrobiologen ist der Mensch ein „Ökosystem auf zwei Beinen“. Keine ungerechtfertigte Sichtweise, übersteigt doch die Zahl der an und in uns lebenden Bakterien die Zahl unserer Körperzellen bei weitem.
Nun haben Forscher die Mikrobenlandschaft genauer untersucht.
Einer umfassenden Studie zufolge leben vermutlich mehr als 10 000 verschiedene Bakterien im und am Menschen. Das seien weit mehr als bisher vermutet, berichten die beteiligten Forscher, die vor allem in den USA arbeiten. Art und Anzahl dieser Mitbewohner unterscheiden sich dabei sowohl von Mensch zu Mensch als auch von Körperregion zu Körperregion erheblich. Trotz der Unterschiede erfüllen die Mikroorganismen bei jedem Mensch dieselben Aufgaben. Das sind erste Ergebnisse eines Projektes, bei dem Forscher alle Mikroben des Menschen - das menschliche Mikrobiom - erfassen und die Funktion entschlüsseln wollen.
Ende 2007 hatte die US-Gesundheitsbehörde NIH (National Institutes of Health) das Human Microbiome Project (HMP) ins Leben gerufen. Nach fast fünf Jahren Arbeit präsentieren die Wissenschaftler von mehr als 80 Forschungseinrichtungen nun ihre erste Zwischenbilanz in einer Reihe von Studien, zwei davon erscheinen im Fachblatt „Nature“.
Für ihre jetzt vorgestellten Arbeiten entnahmen die Forscher von 242 gesunden Erwachsenen Proben aus der Nase, dem Mund und Rachen, aus der Vagina, dem Stuhl und von der Haut. Im Verlauf von knapp zwei Jahren wiederholten sie die Entnahmen bis zu drei Mal.
Dann isolierten sie das Erbgut der Mikroorganismen. Mit Hilfe spezieller genetischer Untersuchungen bestimmten sie, welche und wie viele Mikroben in welcher Körperregion vorkommen. Im Stuhl und an den Zähnen sei die Vielfalt der Mikroben am größten, in der Vagina hingegen am geringsten.
In einer weiteren Untersuchung zeigten sie, dass alle Bakterien gemeinsam etwa acht Millionen Gene besitzen, die in ein Protein übersetzt werden können. Der Mensch selber verfügt nur über rund 22 000 solcher Protein-codierenden Gene. Noch ist längst nicht von allen Proteinen bekannt, welche Aufgabe sie besitzen und welchen Beitrag sie für die Gesundheit des Menschen leisten. Zumindest in einigen Bereichen ist er aber erheblich, etwa im Darm. Ohne die Mitarbeit der Mikroben könnten wir zahlreiche wichtige Nährstoffe aus der Nahrung nicht verwerten.
Zudem funktioniert das Mikrobiom aller Menschen ähnlich. So könnten zwei Menschen völlig gesund sein, obwohl eine bestimmte Bakterienart bei dem einen 95 Prozent aller Bakterien im Darm ausmache, bei dem anderen nur 0,01 Prozent, erläutert Anthony Fodor von der University of North Carolina at Charlotte, einer der beteiligten Wissenschaftler. „Obwohl die Arten von Bakterien sehr verschieden sein können, scheinen die Funktionen der Gene bei verschiedenen Arten sehr ähnlich zu sein.“
Einige der nächsten Aufgaben lägen nun darin, zu untersuchen, ob und wie sich das Mikrobiom eines Menschen im Laufe des Lebens verändert und wie es die Entstehung von Krankheiten beeinflusst, zum Beispiel Darmentzündungen, Krebs oder Fettleibigkeit.