Was macht einen Hit zum Hit? Studie zu musikalischen Trends
Irvine (dpa)- Was macht einen Popsong zum Hit? Diese Frage beschäftigt nicht nur Musiker und Produzenten, sondern auch Mathematiker, Verhaltensforscher, Linguisten und Psychologen weltweit.
Eine Studie der University of California, Irvine (UCI) gibt für die Suche nach der Hitformel nun neue Hinweise: Erfolgreiche Songs in den Charts zeichnen sich demnach durch Heiterkeit, Fröhlichkeit und Party-Tauglichkeit aus. Dies stehe allerdings stark im Widerspruch zum allgemeinen musikalischen Trend, berichten die Forscher im Fachmagazin „Royal Society Open Science“. Und: weibliche Stimmen seien auf dem Vormarsch.
Das Team um die Mathematikerin Natalia Komarova analysierte mehr als 500.000 Songs, die zwischen 1985 und 2015 in Großbritannien veröffentlicht wurden. Basis für die Untersuchung waren nicht nur die Chart-Platzierungen der Songs, sondern auch die freie Musik-Datenbank „Musicbrainz“ und das ebenfalls freie Projekt „Acousticbrainz“, welches akustische Informationen zu Songs sammelt. Dazu gehören Timbre und Tonalität eines Titels, Tanzbarkeit und Stimmung sowie das Geschlecht des Sängers, beziehungsweise der Sängerin. Hinzu kommen komplexere Einteilungen in unterschiedliche Genre- und Stimmungskategorien.
Anhand dieser Daten untersuchten die Mathematiker zum einen, welche Songs Erfolg hatten - Erfolg definierten sie dabei einfach als Chart-Platzierung. Zum anderen leiteten sie musikalische Trends aus den Daten ab, wobei sie nicht nur in den Charts gelistete Songs mit in die Analyse einbezogen. Hier stellten die Wissenschaftler fest, dass in den vergangenen 30 Jahren mehr und mehr traurige Songs veröffentlicht wurden, während fröhliche und heitere Songs an Popularität verloren. Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie kanadischer und deutscher Forscher, die schon 2012 ergab, dass die Anzahl langsamer Moll-Stücke in den US-Charts zunimmt.
Ein weiteres Ergebnis der aktuellen Studie: Weibliche Stimmen erleben - zumindest fernab des Rock-Genres - einen Aufschwung. Dies gilt vor allem für erfolgreiche Songs, also solche, die zum Chart-Hit wurden. Chart-Hits stemmten sich den Wissenschaftlern zufolge ohnehin gegen die von ihnen beobachteten allgemeinen musikalischen Tendenzen. So seien in den Charts erfolgreiche Songs fröhlicher, hätten ein heitereres Timbre, seien tanzbarer und Party-tauglicher als die Allgemeinheit aller untersuchten Titel. Dazu passt die Auswertung der musikalischen Genres: Ihr zufolge haben es klassische Musik und Jazz schwer, zum Hit zu werden, während Pop und Dance zu den populärsten Genres gehören. Gleichzeitig nehme der Erfolg von Rock-Songs seit den frühen 2000er Jahren kontinuierlich ab.
Gerade der Widerspruch zwischen allgemeinen musikalischen Trends und den überwiegenden Merkmalen von Chart-Hits bringt die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass „Erfolg schwer zu definieren und zu verallgemeinern sei“, wie sie schreiben. Entsprechend wäre es falsch, aus den Ergebnissen ihrer Analyse abzulesen, dass ein „fröhlicher, Party-tauglicher, weniger entspannter Song, der von einer Frau gesungen“ werde, automatisch zum Hit würde. Selbst mit ausgefeilteren Methoden maschinellen Lernens sei es schwer, den Erfolg eines Titels vorherzusagen.
Lediglich die Einbeziehung des „Superstar-Status“, also der bereits vorhandenen Popularität eines Künstlers, mache eine Vorhersage akkurater, so die Forscher. Die Vorhersage-Genauigkeit erreiche dann 85 Prozent. Akustische Informationen allein seien indes nicht ausreichend, zumal sich die musikalischen Vorlieben in den vergangenen Jahren immer schneller änderten, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung.
Insgesamt erlaube ihre Analyse eine Aussage über Trends der vergangenen drei Jahrzehnte, definiere die spezielle Dynamik erfolgreicher Songs und erlaube bis zu einem gewissen Grad Vorhersagen zum Erfolg eines Titels, fassen die Autoren der Studie zusammen. Aufstrebende Musiker, die sich eine mathematische Formel für einen Top-Hit erhofft hatten, werden von den Forschungsergebnissen vermutlich enttäuscht sein - zumal die Studie noch etwas anderes ergab: Insgesamt schafften es jährlich durchschnittlich weniger als vier Prozent der von den Forschern analysierten Songs in die britischen Charts.