Was denkt ihr über uns? - Raumfahrer fragen Bürger
Darmstadt/Paris (dpa) - Welchen Nutzen bringt Raumfahrt für den Normalbürger? Kann sich die Bevölkerung vorstellen, künftig als Tourist ins All zu fliegen? Fragen wie diese will die Europäische Weltraumorganisation (Esa) mit Bürgern aus 22 Ländern diskutieren.
„Natürlich wird da nicht abgestimmt, ob wir zum Mond oder zum Mars fliegen sollen“, sagte der Leiter der Esa-Strategieabteilung, Kai-Uwe Schrogl, der Deutschen Presse-Agentur.
Vielmehr gehe es darum herauszufinden, welches Verständnis die Menschen von Raumfahrt haben und was sie spannend finden. Interessenten können sich über das Internet bewerben. Die Bürgerdebatte „Esa Citizen Debate“ findet mit je rund 100 Teilnehmern zeitgleich am 10. September in allen Mitgliedsländern statt - in Deutschland im Kontrollzentrum der Esa in Darmstadt.
Vor zwei Jahren bekundeten in einer repräsentativen YouGov-Umfrage 35 Prozent der Deutschen, sie würden gern mal als Weltraumtourist ins All fliegen. Mehr als die Hälfte der Befragten sprach sich zudem dafür aus, dass sich Deutschland künftig an bemannten Raumfahrtmissionen beteiligen soll. In der Bürgerdebatte sollen die Teilnehmer dagegen nicht nur ein Kreuzchen bei „Ja“ oder „Nein“ machen, sondern mitdiskutieren.
„Jeder einzelne Bürger kommt jeden Tag x-mal mit Raumfahrt in Verbindung“, sagte Schrogl. So sei etwa der tägliche Wetterbericht ohne Satelliten und damit ohne Raumfahrt nicht möglich. Weit verbreitet ist vor allem die satellitengestützte Navigation - etwa per GPS und zukünftig auch über das europäische Galileo-System - in Handys und Navis.
Technologie aus der Raumfahrt spielt Schrogl zufolge aber auch in Alltagsbereichen eine Rolle, von denen man es kaum vermuten würde. „Jedes Mal, wenn Sie Geld abheben, wird das mit einem GPS-Satelliten gesteuert.“ Geldautomaten nutzten die Navigationssatelliten und deren superpräzise Zeitübermittlung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte jüngst, die Raumfahrt bringe „sehr viel Nutzen im täglichen Leben“. Staatliche Milliardenförderung sei deshalb richtig.
Besonders spannend könnte die Bürger-Diskussion der Esa werden, wenn es um private Initiativen wie das „Mars One“-Projekt geht. Menschen ohne Rückfahrschein auf den roten Planeten zu schicken hält Esa-Chef Jan Wörner für ethisch unverantwortlich. „Die Bevölkerung denkt da möglicherweise komplett anders“, sagte Schrogl.
Und was ist mit dem Thema Risiko bei Raumfahrtprojekten? „Wir Europäer haben ein extrem hohes Maß an Risikovermeidung“, sagte Schrogl. Beim ersten Versuch müsse alles klappen. Private Raumfahrtunternehmen seien da experimentierfreudiger und nähmen Fehlversuche in Kauf. Schrogl fragt sich: „Haben die Leute nach zwei oder drei Fehlversuchen noch Geduld mit uns, oder heißt es dann: Die können nichts, macht den Laden zu?“
Die Bürgerdebatte in 22 Ländern soll Raumfahrt als ein gelungenes Beispiel für europäische Kooperation präsentieren. „Wir streiten uns über 1000 Sachen in Europa, aber hier haben wir etwas, das stiftet Identität“, sagte Schrogl. Die Ergebnisse der Bürgerdebatte sollen im Dezember bei einer Ministerkonferenz in Luzern präsentiert werden.