West-Störche zieht es in den Osten
Bergenhusen/Berlin (dpa) - „Wessis“ unter den Weißstörchen in Deutschland machen sich immer mehr im Revier der „Ossis“ breit: Die Trennlinie quer durch Deutschland, die über eine westliche oder östliche Route des Vogelzugs gen Süden entscheidet, verschiebt sich Vogelkundlern zufolge seit Jahren in Richtung Osten.
„Wir vermuten, dass Störche aus den westlichen Regionen beim Überwintern in Spanien und Portugal weniger Gefahren ausgesetzt sind und mehr Nahrung finden als Störche aus den östlichen Gebieten, die meist nach Afrika fliegen“, sagte der Ornithologe Hermann Hötker vom Naturschutzbund in Bergenhusen (Schleswig-Holstein) der Nachrichtenagentur dpa.
Die West-Störche überlebten deshalb besser als ihre östlichen Artgenossen und ihr Bestand wachse schneller. Diese ungleichen Bedingungen seien wahrscheinlich der Grund dafür, dass sich die sogenannte Zugscheide verschiebe. Sie verlaufe durch Schleswig-Holstein etwa an der Elbe entlang in Richtung Süden.
Eine Verdrängung der „Ossis“ sei aber nicht zu befürchten. „Es gibt noch genug Platz für Störche in Deutschland“, ergänzte Hötker. Insgesamt gehe es diesen Vögeln hierzulande gut. Im vergangenen Jahr seien über 5000 Paare gezählt worden.
Störche, die die westliche Route nähmen, müssten heute gar nicht mehr nach Afrika fliegen. „Vor allem auf den feuchten Reisfeldern in Spanien und Portugal und auf den Müllkippen finden die Störche genügend Nahrung“, sagte Hötker. Ihre Artgenossen, die traditionell die Ostroute nähmen, hätten größere Schwierigkeiten, zu überleben. „In der Sahelzone beispielsweise gibt es größere Niederschlagsschwankungen und nicht so stabile Nahrungsquellen“, sagte Hötker.
Inzwischen sind deutschlandweit die ersten Rückkehrer aus den Winterquartieren gesichtet worden. „Es gibt auch etliche Störche, die in Deutschland überwintern“, ergänzte Hötker. Das liege aber größtenteils nicht am Klimawandel. Es handele sich dabei meist um Störche, die aus verschiedenen Gründen in ihrem ersten Flugjahr am Winterzug gehindert worden seien - etwa durch Aufzucht in einem Gehege. „Sie verlieren dann ihren Zugtrieb“, sagte Hötker. Die Kälte im Winter mache den Störchen nichts aus, jedoch Schnee und Eis: „In normalen Wintern müssen diese Störche gefüttert werden, damit sie in Deutschland überleben“. In Süddeutschland gebe es aber schon Einzelfälle von überwinternden Störchen, die auch ohne fremde Hilfe überlebten.