Kein Fischmehl mehr verfüttern Wissenschaftler wollen Garnelen möglichst vegan ernähren
Bremerhaven (dpa) - Die Garnele will nicht auf der Waage bleiben. Sie springt runter, wird von Biologin Monika Weiß wieder eingefangen. 6,32 Gramm bringt sie auf die Waage, 10,2 Zentimeter ist sie lang.
Bei der Inventur an diesem Tag werden die Garnelen in der Zucht des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) für Polar- und Meeresforschung nach Gewicht und Größe sortiert.
Monika Weiß und ihre Kollegen benötigen einen Ausgangswert: Im Monatsrhythmus wollen sie kontrollieren, wie die Tiere mit unterschiedlich zusammengesetzten Futtersorten wachsen. Das Ziel der Wissenschaftler: Den Anteil an Fischmehl in der Nahrung möglichst auf null senken.
Die Verwendung von Fischmehl und -öl in der Aquakultur ist umstritten. „Für Fischmehl werden nicht nur Produktionsreste verwertet, sondern auch Jungfische und Sardinen“, sagt Britta König von der Umweltschutzorganisation WWF. Es trage somit zur Überfischung der Meere bei. 28 Prozent des weltweit produzierten Fischmehls werden an Zucht-Shrimps verfüttert, diese werden vor allem in Asien produziert. Dabei ernährten sich Garnelen in der Natur vor allem pflanzlich, so König.
„In der Zucht brauchen Garnelen Proteine für ein schnelleres Wachstum“, erklärt Matthew Slater, Leiter der Aquakulturforschung am AWI. „Und am einfachsten gelingt das mit Fischmehl.“ Um nachhaltige Alternativen zu finden, untersucht das AWI in dem EU-geförderten Projekt „True“, inwieweit tierische Proteine im Futter von Garnelen durch pflanzliche ersetzt werden können - ohne Wachstum, Geschmack und Nährwert einzubüßen.
Experimentiert wird mit Lupinen, die eiweißreiche Hülsenfrüchte haben. „Lupinen haben einen super Protein-Gehalt und sind damit ein perfektes Futtermittel“, betont Matthew Slater. Die Pflanze lasse sich in Deutschland in Bio-Qualität anbauen, brauche wenig Dünger. Wenn Lupinenmehl neben Soja, Weizengluten und Raps verstärkt in Futtermitteln eingesetzt werde, werde die Aquakultur nachhaltiger, so Slater.
Denn in der Regel werden tierische Proteine durch Soja ersetzt. Das müsse aber importiert werden und sei meist genmanipuliert, sagt Britta König vom WWF: „Die Verwendung von regionalen Lupinen geht deshalb in die richtige Richtung.“
Auch York Dyckerhoff verfolgt die Versuche in Bremerhaven wohlwollend. In Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern betreibt er die Garnelenfarm „Cara Royal“. Die Shrimps-Zucht ist noch ein Nischenmarkt in Deutschland: Es existieren gerade mal drei Firmen bundesweit. Dyckerhoff verkauft acht bis zehn Tonnen Ware pro Jahr. Der Anteil an Fischmehl in seinem Futter beträgt rund 25 Prozent. „Was das AWI macht, ist hochinteressant“, betont er.
Weniger Fischmehl im Futter, stattdessen regional angebaute Bio-Lupinen - das wäre auch ein zusätzliches Verkaufsargument, sagt Betriebsleiter Karl Bissa. Die anderen Vorteile von deutschen Garnelen gegenüber der tiefgekühlten Ware aus Asien benennt Dyckerhoff so: „Regionalität, kein Einsatz von Antibiotika und absolute Frische. Unsere Garnelen kann man roh essen.“ Für das 28 Grad warme Wasser werde Abwärme von einem Klärwerk genutzt.
Die Produktion in Deutschland hat allerdings seinen Preis, die Ware aus Asien ist deutlich günstiger. Dennoch sieht AWI-Wissenschaftler Matthew Slater ein Wachstumspotenzial für Garnelen „Made in Germany“. Immer mehr Verbraucher setzten auf regionale Produkte. In Deutschland werden laut AWI jährlich rund 50 000 Tonnen Gambas und Shrimps verzehrt. „Es wird in absehbarer Zeit mehr Züchter geben“, ist Slater überzeugt.
Die Shrimps in der AWI-Zuchtanlage bekommen nun in den nächsten Wochen sieben verschiedene Futtermittel, darunter auch eines komplett ohne Fischmehl. Ähnliche Versuche mit Wolfsbarschen und Lachsen waren bereits erfolgreich. Bei ihnen konnte ein ursprünglich deutlich höherer Fischmehlanteil im Futter als bei Garnelen bereits erheblich reduziert werden.