Wohlstand macht Chinesen nicht glücklicher
Peking (dpa) - Der wachsende Wohlstand hat die Chinesen nicht glücklicher gemacht. Nach zwei Jahrzehnten rasanten wirtschaftlichen Wachstums sind die Chinesen heute insgesamt weniger zufrieden als noch 1990.
Das zeigt eine neue amerikanische Studie, die in der jüngsten Ausgabe der „Proceedings“ der Nationalen Akademie der Wissenschaft der USA (PNAS) erscheint. Zwischen ärmeren und reicheren Chinesen wächst außerdem die Kluft in der Lebenszufriedenheit, während das soziale Netz weiter aufreißt.
Eine große Mehrheit der Chinesen habe sich 1990 noch recht glücklich geäußert. 68 Prozent der damals wohlhabenden und 65 Prozent der ärmeren Bevölkerungsgruppen seien sehr zufrieden mit ihrem Leben gewesen. Seither ist aber die Lebenszufriedenheit der ärmeren Chinesen „dramatisch“ um 23 Punkte auf 42 Prozent gefallen. Unter den reichen Chinesen sei sie um 3 Punkte auf 71 Prozent gestiegen.
„Es gibt keine Beweise für einen spürbaren Anstieg der Lebenszufriedenheit in China in dem Maße wie er angesichts der enormen Multiplikation des Pro-Kopf-Konsums hätte erwartet werden können“, kommentierte der Forscher Richard Easterlin von der University of Southern California seine Studie, die sich auf sechs verschiedene Erhebungen stützt. „In der Tat sind die Leute insgesamt etwas weniger glücklich.“ China habe sich von einer der egalitärsten Gesellschaften der Welt zu einer mit den größten Unterschieden entwickelt.
Vom wachsenden Wohlstand „profitieren vor allem die höheren Schichten“, sagte der Professor der Volksuniversität (Renmin Daxue), Zhang Ming, der Nachrichtenagentur dpa in Peking in einer Reaktion auf die Studie. „Je größer die Kluft zwischen den Einkommen, umso unzufriedener sind die armen Leute.“ Aber selbst der Mittelstand klage. „Ich bezweifle auch, dass mehr Reiche zufrieden sind, weil so viele wohlhabende Leute ins Ausland gehen“, sagte der Professor. „Sie haben auch ihre Sorgen.“ Zum Beispiel seien sie unzufrieden über die gesundheitliche Versorgung in China.
Auch der Gesundheitszustand wird nach Angaben der Studie anders empfunden. So habe es 1990 geringe Unterschiede gegeben, wie reiche oder arme Chinesen ihre Gesundheit als „gut“ bis „sehr gut“ einstuften. Die Differenz sei von damals nur 4 auf heute 23 Prozentpunkte gestiegen. Mit der Privatisierung des Gesundheitswesens steige die Zahl derer, die sich Behandlungen nicht mehr leisten könnten oder deswegen in die Armut fielen, heißt es in der Studie.