Zu viele Kinder mit Nuckelflaschen-Karies
Schwarze Stummel statt heiler Milchzähne: Schon die Kleinsten liegen auf dem OP-Tisch, um ihr Gebiss saniert zu bekommen.
Berlin. Manchmal sind es acht schwarze Milchzähne auf einmal, die Christian Splieth an der Uniklinik Greifswald ziehen muss. Seine Patienten sind gerade mal drei Jahre alt und liegen unter Vollnarkose auf dem OP-Tisch, weil kein Kleinkind diese Prozedur freiwillig über sich ergehen lassen würde.
Deutschlands Zahnärzten reichen solche Erfahrungen. Sie schlagen Alarm, weil ihnen die Karies-Raten bei Säuglingen und Kleinkindern zu hoch sind — vor allem in sozial schwachen Familien ohne viel Bildung. Viele dieser Eltern wüssten viel zu wenig über Mundhygiene, sagen die Zahnärzte. Sie wollen Säuglinge deshalb vom sechsten Lebensmonat an für feste Vorsorgeuntersuchungen in ihren Praxen haben. Bisher sind die Kinder zweieinhalb, wenn sie das erste Mal einen Zahnarzt sehen.
Splieth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, legt Zahlen auf den Tisch. In sozialen Brennpunkten hätten bis zu 40 Prozent der Kleinkinder Karies. Sonst lägen die Raten bei zehn bis 15 Prozent. Splieth beobachtet eine starke Polarisierung. Es gibt erfreulich viele Kleinkinder mit gesunden Zähnen. Aber zwölf Prozent der Dreijährigen wiesen 95 Prozent des Kariesbefalls auf. „Karies wird zu einer sozialen Erkrankung“, sagt Wolfgang Eßer von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung.
Woran liegt das? Zum Beispiel an Nuckelflaschen, die Eltern nur mit süßen Getränken füllen. Es liegt nach Angaben der Zahnärzte auch daran, dass manche Eltern zu wenig Ahnung haben. Zum Beispiel davon, dass bereits das erste Milchzähnchen von Anfang an ganz vorsichtig geputzt werden muss. Denn kariöse Milchzähne können Kindern Schmerzen bereiten, bevor sie richtig sprechen können. Sie kauen schwerer und schlafen schlechter.