Caritas-Umfrage Wohnungsnot wird zum sozialen Sprengstoff
Berlin (dpa) - Drei von vier Menschen in Deutschland machen sich Sorgen, dass steigende Mieten die Wohnung kosten könnten. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage für den Deutschen Caritasverband hervor, die Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde.
74 Prozent der rund 1000 Befragten sehen demnach durch hohe Mieten die Gefahr, die Wohnung zu verlieren, sagte Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, zum Start der Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“. Darunter sind verstärkt Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen bis 2000 Euro im Monat. Doch auch die Mehrheit der Gutverdiener sieht Risiken.
Vier von fünf Befragten (79 Prozent) sehen das Risiko, wegen der steigenden Mieten in Armut zu geraten. Für fast zwei Drittel (61 Prozent) der Interviewten sind immer höhere Miet- oder Kaufpreise für Wohnraum inzwischen eine Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Bezahlbares Wohnen zählt laut der Umfrage zusammen mit den Themen Pflege, Kinderarmut und Rente zu den zentralen Themen, mit denen sich die Politik beschäftigen sollten - noch vor dem Thema Arbeitslosigkeit. „Wohnungsnot ist zu einer sozialen Wirklichkeit geworden, die gesellschaftliches Konfliktpotenzial birgt“, kommentierte Neher.
Steigende Mieten träfen nicht länger nur Menschen mit geringem Einkommen. Auch Krankenschwestern, Polizisten oder Erzieherinnen spürten, dass bezahlbarer Wohnraum mittlerweile Mangelware sei. „Das Problem hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“, betonte er.
Die Motive der neuen Caritas-Kampagne zeigen Familien, die auf dem Marktplatz campen und Rentner, die vor ihrem Wohnblock in der Badewanne sitzen mit dem Untertitel: In Deutschland fehlen eine Million Wohnungen. Für Caritas-Sprecherin Claudia Beck zeigen die Umfrage-Ergebnisse, wie elementar das Thema Wohnen für breite Bevölkerungsschichten ist. Der Mangel treffe nicht allein die Metropolen, sondern inzwischen auch Städte wie Würzburg, Darmstadt oder Trier.
Immer mehr Menschen erführen, dass sie nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt seien oder mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Miete ausgeben müssten, ergänzte Neher. „Die neue Bundesregierung sollte da nicht zwei Jahre lang tatenlos zugucken.“ Ab 2020 liege die gesetzliche Verantwortung für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht mehr beim Bund, sondern bei den Bundesländern.
Als einen der Hauptgründe für den Wohnungsmangel sieht Neher neben Zuzug den Verlust sozial gebundener Wohnungen. Gab es 1987 nach Angaben der Caritas noch 3,9 Millionen Sozialwohnungen, waren es 2015 nur noch 1,3 Millionen. Der Caritas-Chef sieht auch die Kommunen in der Pflicht, für einkommensschwache Haushalte als Bauträger zu fungieren. Dafür sei es nötig, ökologisches und bezahlbares Bauen in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. „Wohnungspolitik ist immer auch Sozialpolitik“, sagte Neher.
In der Umfrage sehen rund zwei Drittel der Interviewten (70 Prozent) die Mietpreisbremse als geeignete Maßnahme, um bezahlbares Wohnen sicherzustellen. Deutlich mehr Zustimmung findet die Förderung sozialen Wohnungsbaus (84 Prozent), preiswerter Wohnraum für benachteiligte Gruppen (80 Prozent) und die Förderung von Wohnungsgenossenschaften (80 Prozent. Für eine überwältigen Mehrheit von 93 Prozent zählt Wohnen in der Umfrage zu den Menschenrechten.