Bombenentschärfung Wolfgang Wolf: Der Sprengmeister von Köln
Rund 20 000 Menschen in Sicherheit gebracht. Wolfgang Wolf macht die 20 Zentner schwere Fliegerbombe unschädlich.
Köln. Gelassen. Tiefenentspannt. So beschreibt Wolfgang Wolf seinen Gemütszustand. Dutzende Kameras sind auf ihn gerichtet. Und auf die Baugrube hinter ihm. Darin liegt eine Fliegerbombe, die dort seit dem Zweiten Weltkrieg schlummert und am Freitag bei Bauarbeiten an der Mülheimer Brücke entdeckt wurde.
Auch für den erfahrenen Experten vom Kampfmittelbeseitigungsdienst ist das keine „Alltagsbombe“. Der Blindgänger amerikanischer Bauart ist 1,76 Meter lang und hat einen Durchmesser von 60 Zentimetern — „Dat Ding is 20 Zentner schwer und bis zu 60 Prozent mit Sprengstoff gefüllt“, sagt der 62-Jährige mit kölschem Dialekt. „Wenn dat schief geht, wird es große Schäden in einem weiten Umfeld geben.“
Doch von Nervosität ist bei Wolf nichts zu spüren: „Wenn alles glatt läuft, is dat Ding in 15 Minuten entschärft.“ Dafür müssen er und sein Kollege Dirk Putzer Kopf- und Heckzünder aus der Bombe lösen. „Dat is als würde man eine Schraube von einer Mutter drehen.“
Aber der Reihe nach. Zunächst rollt die größte Evakuierungsaktion der Kölner Nachkriegsgeschichte an: 20 000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen. Mitarbeiter des Ordnungsamtes gehen in den Stadtteilen Mülheim und Riehl von Tür zu Tür und fordern die Anwohner auf, das Gebiet im Radius von einem Kilometer zu räumen. „Nur zwei Personen weigerten sich, so dass die Polizei einschreiten musste“, sagt Heribert Büth vom Ordnungsamt.
Ab 7 Uhr morgens reihen sich auf den Straßen rund um das größte Senioren- und Behindertenzentrum der Stadt Rettungswagen mit eingeschaltetem Blaulicht aneinander. Sie transportieren 600 besonders pflegebedürftige der 1100 Bewohner in Krankenhäuser. Knapp 200 Bewohner müssen liegend transportiert, 20 beatmet werden.
„Für unsere Bewohner ist das eine körperliche und seelische Belastung. Es handelt sich um hochbetagte Menschen mit einem Durchschnittsalter von 86 Jahren“, sagt Otto B. Ludorff, Geschäftsführer der Sozial-Betriebe-Köln, die das Zentrum betreiben. Bei Herbert Müller ruft die Evakuierung schlimme Erinnerungen hervor: „Ich bin ein Kriegskind und habe schlechte Erfahrungen mit Bomben. Wenn ich Sirenen höre, laufen mir immer noch kalte Schauer über den Rücken“, sagt der 80-Jährige.
Die mobileren Bewohner schieben ihre Rollatoren zu Bussen, die sie in eine eigens hergerichtete Messehalle fahren. Dort verbringen sie die Zeit bis zur Entschärfung der Bombe. Einige haben sich herausgeputzt, einen Schlips angezogen oder ein Seidentuch um die Schultern gelegt. „Für uns ist das schon Routine. Das ist jetzt das vierte Mal, dass wir evakuiert werden“, sagt die 71-jährige Elisabeth Rind. „Bei so einem Ausflug lernt man seine Mitbewohner näher kennen.“