WZ-Korrespondentin zum Tee bei Queen Elizabeth
Unsere London-Korrespondentin Jasmin Fischer war zur Gartenparty am Buckingham Palast eingeladen.
London. Der Wind ziept und zerrt an meinem Hut wie an einem aufgeblähten Segel. Doch statt elegant dahin zu gleiten, drohe ich zu kentern: Meine Schuhabsätze sind soeben zentimetertief im weichen Rasen eingesackt. Gerade noch rechtzeitig biege ich meine wackelige Silhouette wieder gerade, als ein gutaussehender Gentleman auf mich zueilt. „Hello“, strahlt er, „möchten Sie den Herzog von Kent kennenlernen?“ Den Cousin der Königin?! Ich lächle ungläubig, sage aber vorsichtshalber: „Ja, sehr gerne.“ Man muss das Unerwartete erwarten, denn dies ist kein gemütliches Grillen mit Freunden — es ist die jährliche Gartenparty von Queen Elizabeth. Und ich stehe auf der Wiese hinter dem Buckingham Palast.
Die Aufregung begann schon im Mai, als die luxuriös dicke Pappeinladung ins Haus flatterte. Als Garderobe war ein formales „Tageskleid“ vonnöten. Vor allem aber musste ein Hut her. Ich fing an, nervös zu werden. Dabei war der Hut schnell gekauft, aber es musste ein farblich passendes Kleid her und die Accessoires.
Am Mittwoch war es dann endlich soweit: Ich reihe mich in die lange Schlange vor dem Palast ein. Wie alle Gäste habe ich die Stromabrechnung dabei, weil sie auf der Insel, wo es keine Personalausweise gibt, als Beleg des Wohnsitzes gilt. Die Stimmung ist aufgeregt — kaum jemand hat die Queen zuvor mit eigenen Augen gesehen.
Vorbei an den pompösen Treppenaufgängen im Palast geht’s schließlich in den Garten, wo königliche Leibgardisten die Menge um kurz vor 16 Uhr zu einer riesigen Schlange auf dem Rasen ordnen. Auf dem Treppenabgang erscheint nun die Königin im fliederfarbenen Ensemble; an ihrer Seite spaziert ein gut gelaunter Prinz Philipp, der bei erstbester Gelegenheit einen jungen Ordner zum Ziel seines Schabernacks macht. Langsam schreiten sie ihre Gästeschar ab; auf dem Rasen ist es mucksmäuschenstill. Auf fünf Meter kommen sie heran. Amüsiert sieht die Königin aus, ab und zu bleibt sie stehen und stellt Fragen. Dann ziehen sich beide in ihr Teezelt zurück — Palastgarten und Party sind freigegeben.
Militärbands spielen, im Schatten werden Gurken- und Eiersandwiches aufgetafelt. Und so kommt es, dass ein Ehrendiener der Königin ein Papier aus seinem Gehrock zieht, sich meinen Namen und Beruf notiert und sagt: „Vor dem Herzog von Kent machen Sie gleich einen kleinen Knicks. Er wird zuerst mit ,Seine Königliche Hoheit’ angesprochen und danach mit ‚Sir’.“ Gedanken lesen kann der geheimnisvolle Unbekannte auch: „Keine Sorge, er ist sehr entspannt. Sie können über alles plaudern.“ Sekunden später knickse ich vor Edward Windsor. Er trägt eine Nelke im Knopfloch seines silbernen Cuts und wir reden über Tageszeitungen, Reisen und wie schwer es ist, Olympia-Tickets zu erstehen.
Die Sonne sinkt schon und der Rasen des Palastgartens ist ein Meer aus bunten Hüten, glücklichen Gesichtern und zugeklappten Regenschirmen, auf deren Knäufen die Herren jetzt ihre Zylinder balancieren.