Zeitungstag führt 500 Besucher ins Von der Heydt-Museum
Mehr als 500 Leser nutzten Gratis-Besuch im Wuppertaler Von der Heydt-Museum.
Wuppertal. „Das geht mir total unter die Haut“, sagt Claudia Giesen aus Wuppertal vor den Radierungen von Otto Dix — Großaufnahmen des Kriegsschreckens mit Gasopfern, Verwundeten, Traumatisierten, grinsenden Gesichtern, die wie Totenschädel aussehen. Wie gut 500 andere Interessierte nutzt sie den Zeitungstag — die Aktion unserer Zeitung mit dem Wuppertaler Von der Heydt-Museum fand am Samstag bereits zum zweiten Mal statt. Mit einer Zeitungsseite kommt man mit Begleitung kostenlos in den Kunsttempel und die aktuelle Ausstellung „Menschenschlachthaus“ über den Ersten Weltkrieg in der französischen und deutschen Kunst.
Die ersten 60 Besucher bilden schon zur Öffnung um 11 Uhr erwartungsvoll eine Schlange, bis zum Abend riss der Strom der Interessierten nicht mehr ab. „Ich finde, dass wir mit dem Zeitungstag eine tolle Tradition in Wuppertal begründet haben“, sagt Museumsdirektor Gerhard Finckh. „Diese Kooperation liegt uns besonders am Herzen, weil die Zeitung in der Stadt und der Region gut verwurzelt ist.“
Bei der Planung der Ausstellung habe er gezögert, weil sich 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs viele Museen diesem Thema widmen. Doch das „Menschenschlachthaus“ sei durch die Kooperation mit dem Museum im nordfranzösischen Reims schon etwas Besonderes — „und die Ausstellung wird gut angenommen, es gibt ein reges Interesse an dem Thema — gerade vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine. Die Frage, ob ein Konflikt überhaupt lokal zu begrenzen ist, stellt sich wieder in bestürzender Aktualität“, sagt Finckh.
Das ist auch am Zeitungstag unübersehbar. Während man einen Museumsbesuch sonst eher im ehrfürchtigen Schweigen absolviert, tauschen sich hier die Menschen vor Kunstwerken, Filmen und Landkarten oft aus.
Kurt Pogriefke, Geschichtslehrer aus Wuppertal, erzählt von den Bahnfahrten seiner Mutter durch den „polnischen Korridor“ bei Danzig: „Da wurden immer die Fenster verdunkelt.“ Seine Frau Brigitte gehen die Gemälde nahe: „Die Brutalität des Krieges spiegelt sich unglaublich gut wider. Man darf es eigentlich nicht ganz an sich heranlassen, sonst hält man es nicht aus.“
An die Familiengeschichte denkt Anna-Maria Reinholt, die sich erst historisch informiert hat und „jetzt in die Empfindungen reingeht: Mein Vater musste im Zweiten Weltkrieg als Kanonenfutter an die Front. Hier sieht man, wie die Soldaten Jahrzehnte vorher auch nicht mehr aus dem Kämpfen herausgekommen sind.“
„Schön würde ich die Ausstellung nicht nennen“, sagt Detlef Hansen. Dazu habe sie ihn zu sehr erschüttert. Da bewegt er sich ganz auf der Linie des Schriftstellers Erich Maria Remarque: „Der Krieg hat uns für alles verdorben.“