Analyse: Mittelmeer-Union - Altes mit neuem Etikett

Die Mittelmeer-Union gibt es in anderer Form schon seit 1995. Den Flüchtlingsstrom in die EU soll sie künftig wirksamer bremsen.

Brüssel/Paris. Hätte sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy durchgesetzt, dann wäre die "Mittelmeer-Union" ganz allein sein Baby geworden: eine Veranstaltung außerhalb der EU und natürlich unter französischem Vorsitz.

Das wäre womöglich gut für Sarkozys Ego gewesen. Aber der Willensstärke der deutschen Kanzlerin haben es die übrigen EU-Staaten zu verdanken, dass die "Union für das Mittelmeer" Bestandteil des europäischen Einigungswerkes bleibt.

Folglich beteiligt sich der gesamte EU-Klub an dem Projekt, hinzu kommen die Anrainer: Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien, Albanien, die Türkei sowie die Palästinenser. Libyen will nur als Beobachter dabei sein.

Um die Schlagkraft der Mittelmeer-Union zu erhöhen, soll sie mit einem 20-köpfigen Sekretariat und einer Doppelpräsidentschaft ausgestattet werden.

Trotz des Kompromisses auf dem EU-Gipfel sind noch Fragen offen. Etwa: Welches Land erhält den Zuschlag für das Unions-Sekretariat? Die breite Mehrheit in der EU wünscht sich ein Sekretariat in der EU-Hauptstadt Brüssel - wo sonst? Weder Paris noch ein südliches Nachbarland eigneten sich als Alternative.

Unscharf ist ferner noch die Ausstattung der Co-Präsidentschaft. Ein Nicht-EU-Land könnte sich die Aufgabe rotierend mit dem Land teilen, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat. Die Kommission würde zuarbeiten.

Im Grunde ist die Mittelmeer-Union alter Wein in neuen Schläuchen. Das EU-Engagement für Sicherheit, Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung am Mittelmeer firmierte seit 1995 unter dem Titel "Barcelona-Prozess". Fest steht, dass sich die EU ihr Engagement bis 2013 rund 13Milliarden Euro kosten lässt.

Damit soll das wirtschaftliche und politische Engagement der EU in den südlichen und östlichen Mittelmeer-Staaten verstärkt werden - insbesondere, um dem wachsenden Immigrationsdruck aus den nordafrikanischen Ländern zu begegnen.

Zudem sollen regionale Konflikte entschärft werden. Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle: Die Mittelmeer-Anrainer gelten als Länder mit hohem Wachstumspotenzial. Noch stehen Europäer bei den Investitionen an erster Stelle, aber China und die Golfstaaten holen schnell auf.