Die beiden haben bis dahin im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Cologne geredet – über „Die Kriege der Gegenwart und den Beginn einer neuen Weltordnung“. So auch der Titel eines neuen Buches des ehemaligen grünen Bundesaußenministers. Und zu solchen Themen hat er sehr wohl etwas zu sagen. Der 76-jährige Polit-Pensionär bezieht den Satz mit der Nicht-Einmischung auf seine Partei. Und auf die Frage, was in ihm vorgegangen sei, als er am Wahlabend die enttäuschenden Ergebnisse der Grünen wahrnahm. „Was in mir vorging, das bleibt in mir“, sagt er nur.
Freilich hat er vorher schon lobend erwähnt, dass die Grünen mit ihrer Zustimmung zu den Milliardenschulden für militärische Zwecke und Infrastrukturprojekte den Weg für eben diese Regierungspläne frei gemacht haben. Sicherheitspolitisch sei es höchste Zeit umzudenken. „Während des Kalten Krieges wussten wir: Wenn es ernst wird, ist der große Bruder von der anderen Seite des Atlantiks da. Das wird in Zukunft so nicht mehr gelten. Es wird sich niemand um unsere Sicherheit kümmern, wenn wir uns nicht selbst kümmern.“
Fischer tritt auf, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt. Voller Selbstsicherheit, knorrig und mit knarzender Stimme, salopp gekleidet mit Jeans und braunem Sakko. Mehrfach betont er, dass die Sicherheitsbestrebungen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union erfolgen müssten. „Diese Einbindung ist wichtig, sonst kommen die alten Sorgen wieder.“
Was er damit meint, interpretiert Journalistin Mikich so: „Sie meinen die Sorge, dass die Deutschen wieder militaristisch werden, und wenn dann die AfD noch erfolgreicher wird – was dann?“ Fischer stimmt zu: „Solche Argumente hören Sie in unseren Nachbarstaaten schon.“ Umso wichtiger sei es, die europäische Einbindung in Sicherheitsfragen hinzubekommen. Insofern könne man Putin und Trump auch als Chance für Europa begreifen.
Ein Lob für
Konrad Adenauer
Fischer lobt den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) dafür, dass für diesen die „eindeutige Orientierung des westlichen Teils unseres Landes in Richtung Westen wichtiger war als die Einheit.“ Der AfD gehe es auch um die Revision dieser großen historischen Leistung.
Auf die AfD kommt das Gespräch später noch, aber zunächst geht es um die Auslöser der internationalen Zeitenwende. Zum einen um Russlands Präsident Putin. Der habe der Ukraine mit seinem Angriffskrieg erst ein echtes Nationalbewusstsein gegeben. Ziel müsse sein, die nationale Identität der Ukraine zu erhalten und – für Europa – gegenüber einer weiteren russischen Aggression abschreckungsfähig zu sein. Mit einer Wehrpflicht in Deutschland? Darauf antwortet Fischer nur knapp: „Wie soll es anders gehen?“ Pazifismus bügelt er in diesem Zusammenhang auch weg: „Angesichts eines brutalen Aggressors kommen Sie mit Singen sympathischer Lieder und Schweigekreisen nicht mehr weiter.“
„Die USA betreiben
Selbstschwächung“
Für Donald Trump, so analysiert Fischer, stehe an erster Stelle dessen Ego und an zweiter Stelle ein Isolationismus der USA. Eine Haltung, sich nicht einzumischen. Dabei betrieben die USA entgegen dem Motto „Make America great again“ das genaue Gegenteil. Nämlich einen „Prozess der Selbstschwächung.“ Fischer erklärt das am Beispiel der eingestellten Auslandshilfe. „Das wird andere, insbesondere China, ermutigen, in diese Leerstelle einzutreten. Das ist keine Stärkung, sondern Selbstschwächung.“
Freilich müssen deutsche Politiker ja im Gespräch bleiben mit den USA, wirft Mikich ein. Ohne den mutmaßlich baldigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) namentlich zu erwähnen, fragt sie: „Müssen sie zu Trump zu dessen Residenz nach Mar-a-Lago in Florida fliegen und ihm dort den Ring küssen?“ Die USA seien weiterhin ein wichtiger Partner, sagt Joschka Fischer. „In der Politik muss man schon mal große Kröten schlucken. Das will gelernt sein, dass Sie da keinen Würgeanfall bekommen.“ Und er fügt hinzu: „Ich bin froh, Pensionär zu sein und dafür nicht mehr in Frage zu kommen.“ Er sei oft im Vatikan gewesen, „aber Kniefall und Ring küssen, das geht für mich nicht.“ Überhaupt frage er sich mit Blick auf die USA: „Will ich da noch hinreisen?“
Das Gespräch kommt natürlich auf die katastrophale Lage in Nahost. Und auch da ist Fischers Perspektive düster: „Früher war ich der Meinung, das ist ein Konflikt, der jedenfalls keine Weltkatastrophe auslösen kann. Der Meinung bin ich nicht mehr.“ Es gehe auch um die Existenz des jüdischen Staates.
Die Interviewerin kommt auf den weltweit spürbaren Vormarsch des Nationalismus zu sprechen und damit auch auf die AfD. Fischer dazu: „Vor dem Faschismus zu warnen, ist berechtigt. Das ist kein Alarmismus, sondern realistische Zustandsbeschreibung. Da stehen uns harte Auseinandersetzungen bevor.“ Er könne nicht nachvollziehen, wie man die AfD wählen kann. Die anderen Parteien sollten nicht auf sie zugehen. „Mit Herrn Höcke die Hand zu halten, ist eine grausige Vorstellung“, findet Fischer.